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Sommergefühle 6. Von Sonnenblumen und Sommerendgefühlen

Vier Wochen waren wir unterwegs, nachts kommen wir an. Als ich am nächsten Morgen vom Schlafzimmer in den Garten schaue, bin ich ganz erschlagen. Vor lauter Sonnenblumen.

Sonnenblumenfeld / © Julia Steinbrecht (KNA)
Sonnenblumenfeld / © Julia Steinbrecht ( KNA )

Der Moment ist lange her. Wir waren erst kurz zuvor umgezogen, kannten unseren eigenen Garten noch wenig.

Ich weiß heute nicht mehr, ob ein Kind Sonnenblumensamen ausgesät oder der Vorbesitzer sich einen letzten Gruß erlaubt hatte, aber rundherum in allen Beeten strahlten mich die stolzen kleinen Sonnen an.

Diesen Moment werde ich nie vergessen. Der Umzug war, wie so oft im Leben, mit allerlei Zumutungen gespickt. Veränderungen sind eh immer eine Herausforderung für mich. Dieser Umzug war eine sehr große Herausforderung.

Wo wir zuvor gewohnt hatten, war es so schön gewesen, dass ich mich zum ersten Mal in meinem Leben so wohl gefühlt hatte. Vorsichtig hatte ich mir sogar erlaubt hatte, Wurzeln schlagen zu lassen.

Der Abschied war schwer und das neue Zuhause kein Ersatz für den Verlust. Diesen Hintergrund muss man kennen, um zu verstehen, warum mich die Sonnenblumen damals so berührt haben.

Mir war, als würden die vielen kleinen Sonnen im Garten mich in meinem neuen Leben willkommen heißen und mir zurufen: Nur Mut, auch hier gibt es leuchtendes Gelb und helle Tage und ein Leben, auf dass Du dich freuen kannst.

Was soll ich sagen, es hat noch ein Weilchen gedauert, aber die Sonnenblumen haben mir geholfen einen Anfang zu machen, dass ich es auch am Niederrhein wagen kann, Wurzeln zu schlagen.

Zugleich hatten diese, wie natürlich alle, Sonnenblumen eine leise Wehmut im Gepäck: Wo Sonnenblumen blühen, ist der Herbst nicht weit, ist der Sommer in seinem letzten Drittel angekommen.

Sonnenblumen künden immer schon vom Ende und wo Sonnenblumen blühen, ist mein Sommerendgefühl nicht weit.

Dieses Gefühl befällt mich meist schon um die Sommersonnenwende im Juni, wenn die Tage wieder kürzer werden und, noch bevor der Sommer richtig angefangen hat, sein Ende schon verkündet wird.

Zur Sommersonnenwende kann ich mich aber immer noch trösten, der eigentliche Sommer steht ja noch bevor.

Zur Sonnenblumenzeit wird das Sommerendgefühl viel realer, dringlicher, denn das Ende des Sommers naht ja tatsächlich.

Aber zum Glück bringen Sonnenblumen nicht nur Wehmut, sondern auch eine schlichte Weisheit mit sich. Nicht umsonst heißen sie auf Französisch Tournesol.  Also etwa die, die sich zur Sonne drehen.

Denn genau das tun Sonnenblumen, sie strecken ihre hübschen Köpfe immer genau dort hin, wo die Sonne gerade scheint.

Das könnte doch nicht nur für den Rest des Sommers eine so einfache wie wirksame Strategie sein, um das Leben einen Hauch heller zu machen.