Landfunk: Am Anfang war das Paradies

"Solange man einen Garten hat"

"Man muss nicht erst sterben, um ins Paradies zu gelangen, solange man einen Garten hat", lautet ein persisches Sprichwort. Etwa dort - in Persien - soll der Garten Eden, das Paradies, gelegen haben. Zu Jahresbeginn lohnt ein Blick dorthin.

Adam und Eva im Paradies (KNA)
Adam und Eva im Paradies / ( KNA )

Schon die alten Griechen schauten mit einer gewissen Sehnsucht gen Osten, wenn sie vom Paradeisos sprachen. Sie meinten damit zunächst nicht das biblische Paradies, sondern die Gärten persischer Könige mit ihren exotischen Pflanzen und Tieren, zusammengetragen aus dem ganzen weiten Reich, das sich vom Mittelmeer bis nach Indien erstreckte. Längst schon hatten da auch Ägypter, Syrer und Babylonier Traumgärten geschaffen, Landschaften mit Wasser, Hügeln und Bäumen nachgestaltet, Nutzgärten und Ziergärten angelegt – 9000 Jahre nachdem die Menschen mit dem Ackerbau begonnen hatten.

Birne auf Birne reift da heran

"Denen verdirbt nie Frucht, noch fehlt sie winters wie sommers
Während des ganzen Jahres, sondern der stetige Westhauch
Treibt die einen hervor und läßt die anderen reifen.
Birne auf Birne reift da heran und Apfel auf Apfel,
aber auch Traube auf Traube und ebenso Feige auf Feige."

..schwärmt Homer in seiner Odyssee. Das klingt sehr nach dem biblischen Paradies. Und es ist verständlich, dass auch der Garten aller Gärten, der Garten Eden, wie er im Buch Genesis beschrieben wird, im griechischen mit Paradeisos übersetzt wurde.

"Dann legte Gott, der Herr, in Eden, im Osten, einen Garten an und setzte dorthin den Menschen, den er geformt hatte. Gott, der Herr, ließ aus dem Ackerboden allerlei Bäume wachsen, verlockend anzusehen und mit köstlichen Früchten, in der Mitte des Gartens aber den Baum des Lebens und den Baum der Erkenntnis von Gut und Böse. Ein Strom entspringt in Eden, der den Garten bewässert; dort teilt er sich und wird zu vier Hauptflüssen. (..) Gott, der Herr, nahm also den Menschen und setzte ihn in den Garten von Eden, damit er ihn bebaue und hüte." (Buch Genesis 2,8-15)

Hier glänzt ein ewig blauer Himmel

Der Garten Eden unterscheidet sich in einem wesentlichen Punkt von all den anderen Gärten im alten Orient, in ihm steht der Baum der Erkenntnis, mit all den Folgen für die Menschheit, wie sie die Bibel beschreibt. Und der Garten Eden ist eine Schöpfung Gottes, frei von aller Plackerei und Unbill, die hinter den Gärten des Orients ebenso steckt wie hinter den Kleingärten unserer Zeit. Zumindest vermittelt das so ein Lexikon von 1837:

"Paradies, der Garten Gottes, das Eden, der Wohnsitz unserer ersten Eltern, wo sie von des Ewigen Gnade geschaffen und beschirmt, weilten in kindlicher Unschuld, in der Einfalt ihres Herzens im Genuss eines nie versiegenden Segensquells. Hier wohnte Friede, Ruhe und Glückseligkeit, hier glänzte ein ewig blauer Himmel, hier welkte keine Blume, hier sank kein Blatt vom Baume, hier wandelte der Tiger friedsam neben der Gazelle, der Löwe neben dem Lamm, und dasselbe Laubdach deckte schützend den Geier und die Taube. Hier erinnerte nichts an Tod, an Hinfälligkeit und Vergänglichkeit. Hier war Alles Harmonie…"

Der eigene Garten ein Segensquell

Da wird es doch sehr deutlich: nein, ein Paradies ist unser Garten daheim nicht. Würde der blaue Himmel ewig glänzen, würden die Blumen schnell verwelken.
Und doch: Gerade jetzt, wo er so still im Winter da liegt, mit seinen verträumten und vergessenen Ecken, mit all dem was an Erwartungen und Früchten und Farben in ihm verborgen steckt, da ist der eigene Garten nicht nur ein Sehnsuchtsort, sondern tatsächlich ein Ort mit paradiesischem Antlitz. Denn es wohnt, wann immer wir drin schwelgen und auch arbeiten, Friede und Glückseligkeit darin. Genau hier, in unserem Garten, fließen Erde und Himmel ineinander. Und so gesehen ist der Garten für unser Leben im Alltag auch ein "Segensquell" – weil er uns samt seiner Dornen, Spätfrösten, Trockenperioden oder Hagelschauern schult, die Unbill des Alltags zu meistern.

Das alles ist natürlich eine Frage der Einstellung. Das heißt, es ist die Frage, wie man einen Garten sieht oder auch betritt. Ein Wort von Bernhard von Clairvaux mag da helfen: „Den Garten des Paradieses betritt man nicht mit den Füßen, sondern mit dem Herzen.“ (St.Q.)

Quelle des Lexikon-Textes: zeno.org