Großbrand in Rohingya-Flüchtlingslager hat dramatische Folgen

"Situation ist dramatisch, perspektivlos, frustrierend"

Bei dem Großbrand in einem Flüchtlingslager in Bangladesch sind mindestens 15 Menschen ums Leben gekommen und mehr als 560 verletzt worden. Dort arbeitet auch die Caritas. 45.000 Menschen, meist Angehörige der Rohingya, sind betroffen.

Feuer bricht in großem Flüchtlingslager in Bangladesch aus / © Shafiqur Rahman/AP (dpa)
Feuer bricht in großem Flüchtlingslager in Bangladesch aus / © Shafiqur Rahman/AP ( dpa )

DOMRADIO.DE: Wie ist die Lage im abgebrannten Flüchtlingslager im Moment?

Peter Seidel (Referent für Bangladesch bei Caritas international): Die Lage ist dramatisch. In diesen drei Untercamps, von den insgesamt 20 Teilen dieses Camps, ist zum Teil alles großflächig zerstört. Das heißt, die Leute haben schon wieder sämtliche Habseligkeiten verloren.

Sie haben kein Dach über dem Kopf und müssen wieder in Notunterkünften untergebracht werden. Das sind behelfsmäßige Zelte oder Gemeinschaftsunterkünfte, die sich in anderen Teilen des Lagers befinden. Damit verschlechtert sich natürlich auch die Sanitärversorgung.

Die Nahrungsmittel, die die Leute in dem abgebrannten Lager gelagert hatten, sind ebenso zerstört worden. Die Situation ist dramatisch, perspektivlos, frustrierend. UNHCR und die anderen Hilfsorganisationen, die Caritas ebenfalls, versuchen wieder Nothilfen anzubieten.

Aber schon die normale Versorgung war schwierig und prekär und wird jetzt natürlich durch diesen Brand noch schwieriger.

DOMRADIO.DE: Wie sieht diese Nothilfe konkret aus, die die Caritas anbietet?

Seidel: Die Caritas ist in anderen Teilen dieses Lagers für die Verbesserung der Unterkünfte zuständig und hat dafür unter anderem Baumaterialien, die jetzt für die Notunterkünfte verwendet werden, für diese Betroffenen. Das wird alles koordiniert mit den UN-Organisationen, mit der lokalen Regierung.

Es wird geschaut, welche Hilfsorganisation kann welche Art von Hilfen anbieten. Und da kommt die Caritas vor allen Dingen in dem Bereich der Notunterkünfte zum Zug. Und es gibt Gemeinschaftsunterkünfte, es gibt Treffpunkte für Frauen, die jetzt alle zweckentfremdet werden, wieder als Notunterkünfte.

Das funktioniert natürlich eine Zeit lang, aber natürlich muss auch schnellstens eine Alternative her, dass die Leute nicht zusammengepfercht in irgendwelchen, eigentlich als Kindergarten oder als Schulen vorgesehenen Räumlichkeiten untergebracht sind.

DOMRADIO.DE: Fehlen die Rohstoffe, die vielleicht für den Bau anderer Einrichtungen gedacht waren, irgendwo anders?

Seidel: Richtig, wir haben ein Programm, das unter anderem auch unterstützt wird vom Auswärtigen Amt und vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit, wo es genau um die Verbesserung der Unterkünfte geht. Denn die schlechte Bausubstanz ist ja mit ein Problem.

Die Regierung von Bangladesch hat nur erlaubt, dass Bambus und Plastikplanen als Unterkünfte verwendet werden dürfen. Und das ist natürlich hochbrennbares Material. Und wenn jetzt die Trockenzeit anfängt, wird das Brandrisiko noch höher. Das ist ein langes Gezerre zwischen den Hilfswerken und der Regierung, bessere Unterkünfte zu zu organisieren und damit auch die Brandgefahr und andere Risiken zu verringern.

Auf der anderen Seite hat die Regierung in Bangladesch dieses Lager eingezäunt und auch diese Unterlager, diese Teilgebiete, umzäunt. Das hat jetzt natürlich dazu geführt, dass die Effekte dieses Brandes noch tragischer waren. Die Feuerwehr hatte keinen richtigen Zugang und die Menschen konnten nicht schnell diese brennenden Lager verlassen.

Das heißt, auch die Regierung ist da nicht immer hilfreich, sondern die Idee, die Flüchtlinge möglichst abzuschrecken und schlecht zu behandeln, damit sie nicht in Bangladesch bleiben wollen, führt natürlich auch zu noch extremeren, furchtbaren Verhältnissen.

DOMRADIO.DE: Sie haben die Rolle von Bangladesch schon angesprochen. Die Rohingya, die lebten ja als muslimische Minderheit in Myanmar, bevor sie dann ins muslimisch geprägte Nachbarland Bangladesch fliehen mussten. Warum gibt es da nicht eine Art Willkommenskultur?

Seidel: Man muss das differenziert betrachten: Die Regierung Bangladeschs, auch das Militär von Bangladesch und auch die Bevölkerung waren am Anfang sehr offen und sehr solidarisch. Jetzt muss man wissen, dass Bangladesch eines der am dichtesten besiedelten Länder ist und noch dazu noch ein sehr geringes Pro-Kopf-Einkommen hat.

Den Leuten geht es da schlecht. Es gibt nicht viel Platz. Und jetzt kommen noch eine Million Flüchtlinge dazu. Das bringt natürlich die Solidarität und die Belastbarkeit der lokalen Bevölkerung auch an ihre Grenzen. Also diese Regierung tut sehr viel. Aber es ist natürlich auch massive internationale Unterstützung bei dieser Krise erforderlich.

Dass allein jetzt der Regierung und der Bevölkerung von Bangladesch zu überlassen, wäre auch unfair. Die haben Probleme genug und jetzt auch noch das Flüchtlingsproblem. Da ist es nicht verwunderlich, dass die Solidarität dann irgendwann an ihre Grenzen kommt.

Wobei natürlich diese Diskussion, was die richtige Lösung wäre, sehr intensiv zwischen Hilfswerken, den UN-Organisationen und der Regierung geführt wird, weil es da viele Kritikpunkte gibt, wie dieses Problem in Bangladesch auch von der Regierung angegangen wird.

Ein Beispiel ist die Idee der Regierung, einen Teil der Flüchtlinge auf eine Sandbank umzusiedeln, mitten im Meer, was auch sicherlich keine Perspektive auf Dauer bietet.

Das Interview führte Gerald Mayer.

Mehr zur Caritas-Nothilfe für Bangladesch. Spenden richten Sie an "Caritas international", Bank für Sozialwirtschaft Karlsruhe, IBAN: DE88 6602 0500 0202 0202 02, BIC: BFSWDE33KRL


Peter Seidel (Caritas International) (CI)
Peter Seidel (Caritas International) / ( CI )

Rohingya in Bangladesch / © Suzauddin Rubel (dpa)
Rohingya in Bangladesch / © Suzauddin Rubel ( dpa )

Eine Frau der Rohingya weint in der Nähe nach einem Brandunfall in einem Lager für Binnenvertriebene / © Nyunt Win (dpa)
Eine Frau der Rohingya weint in der Nähe nach einem Brandunfall in einem Lager für Binnenvertriebene / © Nyunt Win ( dpa )
Quelle:
DR
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