domradio.de: Sie sind ja Ende Mai einige Tage in Minsk, der Hauptstadt von Weißrussland, gewesen und hatten die Gelegenheit mit den Katholiken dort zu sprechen. Wie war Ihr erster Eindruck von der Situation der Gemeinden dort?
Lahrmann: Wir haben katholische Jugend an der Kathedrale der Heiligen Jungfrau in Minsk, dem Bischofssitz, getroffen. Mein erster Eindruck war: Die sind sehr vorsichtig, sehr zurückhaltend im Gespräch mit westlichen Journalisten. Aber sie haben ein großes Selbstvertrauen, was ihre eigene Position angeht; sie sind sich sehr selbstsicher als Katholiken in diesem Land - eine Situation, die nicht so einfach ist. Erst nach dem Ende der Sowjetunion konnte der katholische Glaube wieder ein bisschen aufblühen. Insgesamt betrachten die Katholiken heute ihre Lage aber sehr positiv. Das hat mich überrascht.
domradio.de: Die Zahl der Kirchen nimmt zu, es gibt Religionsunterricht und Katechesen, selbst katholische Presse kann erscheinen. Es scheint so zu sein, dass es eine Art Aufblühen trotz Diktatur gibt?
Lahrmann: Das sagten mir die Jugendlichen: dass sie manchmal noch von Teilen der Gesellschaft als merkwürdig betrachtet werden, aber offene Diskriminierung oder Unterdrückung, wie das zu Zeiten der Sowjetunion war, nicht mehr erleben; dass die Zahl der Katholiken zunimmt und der Glaube wächst; dass sie mit Medien wie dem Internet prosperieren können.
domradio.de: Und sich vernetzen können...
Lahrmann: Ja. Und es gibt einen engen Kontakt zur katholischen Kirche in Polen, das hat schon historische Gründe. Weißrussland ist traditionell an Polen angegliedert gewesen. Und auch die Katholiken haben einen regen Austausch.
domradio.de: Dennoch gibt es auch im Land Unterdrückungen von Regimekritikern - hatten Sie das Gefühl, die Menschen achten auf, was sie erzählen und wie sie es tun?
Lahrmann: Das ist ganz deutlich so: Über politische Fragen spricht man nicht. In Rundfunksendern haben wir zum Beispiel gehört, dass für Politik die Regierung zuständig sei. Kultur und Medien sind staatlich gelenkt. Und sie treffen kaum jemanden, der politische Äußerungen öffentlich tätigt.
domradio.de: Anfang dieses Jahres ging ein Hilferuf bei Papst Benedikt ein. Die Angehörigen der in Weißrussland inhaftierten Oppositionellen und Journalisten haben ihm einen Brief geschrieben, in dem sie den Papst bitten, sich um die Freilassung von fünf ehemaligen Präsidentschaftskandidaten und 18 weiteren Personen zu bemühen. Also setzen die Menschen große Hoffnung auf Papst Benedikt?
Lahrmann: Zumindest die Katholiken. Schon Johannes Paul II. hatte angedeutet, dass er sich einen Besuch in Weißrussland vorstellen könnte, dazu ist es nicht mehr gekommen. Jetzt hoffen die Katholiken inständig, dass Benedikt XVI. kommt. Man ist außerdem auch sehr an einem Austausch mit deutschen Katholiken interessiert.
Das Gespräch führte Stephanie Gebert.
Situation der Katholiken in Weißrussland
Zwischen Unterdrückung und neuer religiöser Freiheit
Weißrussland gilt als die letzte Diktatur Europas. Doch für die Katholiken hat sich seit Ende der Sowjetunion die Lage verbessert, hat Markus Lahrmann beobachtet. Der Chefredakteur der Zeitschrift "Caritas in NRW" hat das Land gerade besucht. Im domradio.de-Interview schildert er seine Eindrücke.
Share on