Sibylle Lewitscharoff über die Folgen ihrer Dresdener Rede

„Die Strafe ist schon enorm“

"Das war sehr dumm von mir", sagt Sibylle Lewitscharoff. In Dresden hatte sie vor drei Monaten Retortenkinder mit Halbwesen verglichen. Im domradio.de Interview spricht sie über die Nachwirkungen dieser Rede.

Sibylle Lewitscharoff (dpa)
Sibylle Lewitscharoff / ( dpa )

"Da sind bei mit die Pferdchen durchgegangen", sagt Lewitscharoff. Sie habe sich schon mehrfach für den Vergleich von Retortenkindern mit Halbwesen entschuldigt: "Das war ein sehr dummer Satz, der, wenn man ihn herauslöst, schreckliche Gefühle auslösen kann. Menschen, die da sind, sind Menschen und keine Halbwesen. Punkt." Trotzdem sei ihre Rede insgesamt doch sehr bedenkenswert, sagt die Büchnerpreisträgerin. Denn das Thema Reproduktionsmedizin werde zwar in Gremien diskutiert – aber kaum in der Öffentlichkeit. "So richtig beklagenswert sind da auch die Randerscheinungen, zum Beispiel das Leihmutterwesen. Da werden Frauen aus Rumänien per Katalog angeboten, die für einen erbärmlichen Lohn dann fünf oder sechs Mal hochgespritzt werden und Leihkinder austragen."

"Es ging mir in der Rede um Grundsätzliches – um die Frage, was ändert sich mit den Möglichkeiten der Reporduktionsmedizin am Bild des Menschen, auch an der Schicksalshaftigkeit oder an der Gottesbeziehung", sagt Lewitscharoff. Aber darüber wird auch nach ihrer Rede nicht gesprochen. Was auf lange Sicht bleibt, ist der Begriff "Halbwesen" – und die Folgen, für eine Autorin, die sich selbst als "Übertreibungsmagneten" bezeichnet. Etliche geplante Lesungen, sogar an ihrer Schule, wurden abgesagt. "Das schadet auch den Büchern, mein neuer Roman ist irrsinnig verrissen worden – das ist eine Schlagbewegung aus Rache, die auch verwunderlich ist", sagt die Autorin, die ihre Rede in Dresden aus heutiger Sicht bereut. "Das hätte ich gern zurückgenommen. Der Schaden ist enorm".


Sibylle Lewitscharoff / © Susanne Schleyer
Sibylle Lewitscharoff / © Susanne Schleyer