Shalompreisträgerin Mema hilft Frauen im Kongo aus der Hölle

Geraubt - vergewaltigt - verstoßen

Die Traumatherapeutin Therese Mema ist am Wochenende mit dem Eichstätter Shalompreis ausgezeichnet worden. Gemeinsam mit der katholischen Kirche hilft sie Opfern sexueller Gewalt im Osten des Kongo - wo der Kampf um begehrte Rohstoffe für Handys tobt.

Autor/in:
Harald Oppitz
Shalompreis für Therese Mema (KNA)
Shalompreis für Therese Mema / ( KNA )

Der junge Chor singt aus vollem Hals - und die Gemeinde von Mwanda klatscht begeistert mit. Auch beim dritten Gottesdienst an diesem Sonntag ist die Kirche rappelvoll. Nebenan liegt der Kivu-See ruhig zwischen den saftig grünen Hügeln im Osten des Kongo. Besucher wähnen sich im Paradies - für die Bewohner ist es oft die Hölle. Viele Gottesdienstbesucher haben unvorstellbares Leid erlebt.

Zwei Stunden zur Kirche

Zum Beispiel Ma File, die in der ersten Reihe mitsingt. Ihre Kindheit war vor vier Jahren abrupt zu Ende, als sie vergewaltigt wurde. Da war sie elf. Zwei Stunden braucht sie zu Fuß bis zur Kirche; den Weg geht die schüchterne 15-Jährige jeden Sonntag gemeinsam mit ihrer Mutter. Das Singen tut gut, im Chor wird sie akzeptiert. Die meisten hier haben keine Ahnung, was sie durchgemacht hat. Und sie hat das Gefühl, Gott nahe zu sein. Ordensfrau will sie einmal werden; "die machen viele gute Sachen", sagt sie etwas verlegen. "Und außerdem gibt es da keine Männer."

Dank der Hilfe im Traumazentrum der Gemeinde kann sie heute Männern zumindest wieder in die Augen schauen. Therese Mema koordiniert 16 solcher Zentren im Bistum Bukavu, die sie mit Unterstützung des katholischen Hilfswerks missio Aachen aufgebaut hat. Am Wochenende wurde sie in Eichstätt mit dem Shalompreis ausgezeichnet, einem der höchstdotierten Menschenrechtspreise in Deutschland.

Überfälle in der Nacht

Die Region um Bukavu ist ein Krisenherd. Rebellen überfallen hier nachts kleine Ortschaften. Sie rauben und töten, sie fallen über Frauen und Kinder her. Die Regierung scheint machtlos. Auch die UN-Blauhelme schauen oft nur zu. Allein die katholische Kirche kümmert sich um die leidenden Menschen.

Ma File bringt uns zu einem kleinen dunklen Raum. Hier bieten Therese und ihre Mitarbeiterinnen regelmäßig Sprechstunden an. Die Geschichten der Opfer sind erschütternd: Ausgeraubt, Mann erschossen, Kind entführt, vor den Augen des Mannes vergewaltigt, Messer in den Bauch gerammt. "Sie haben mir nach der Vergewaltigung in mein Auge geschossen. Ich überlebte, aber ich hatte nichts mehr, habe mich in den blutigen Kleidern hierher geschleppt", erzählt eine Frau. "Therese und die Mitarbeiter gaben mir neue Kleidung, brachten mich nach Bukavu in die Klinik." Heute kann sie wieder normal sprechen, doch noch immer hat sie Schmerzen in der linken Kopfhälfte.

Schwangerschaft nach Vergewaltigung

Im Garten hinter der Kirche von Chiumbo wartet eine zierliche junge Frau. Auf dem Rücken von Solange schläft ihre vier Monate alte Tochter Joyceline in einem Tuch. Nach einer Vergewaltigung war sie schwanger geworden: "Bomben werden solche Kinder in den Dörfern genannt", erklärt Therese - "denn viele glauben, die Kinder werden wie ihre Väter, die Vergewaltiger."

Solange erzählt: "Gegen acht am Abend kamen mehrere Männer in unser Haus. Sie fesselten meinen Mann ans Bett und sagten, sie würden ihn sofort erschießen, wenn er nur einen Ton sagt." Einer der Rebellen wollte sie sofort vergewaltigen, "doch die anderen sagten: Sie ist so hübsch, wir müssen sie unserem Kommandanten bringen."

Zwei Wochen allein durch den Dschungel

Einen Monat lang wurden die Frauen dort geschlagen und zum Sex gezwungen, dann gelang Solange mit vier weiteren die Flucht: "Wir konnten entkommen, als eines Tages ein Hubschrauber mit der Aufschrift 'UN' über dem Lager kreiste und die Männer abgelenkt waren." Die Frauen trennten sich, und Solange kämpfte sich allein zwei Wochen durch den Dschungel - immer in Angst, wieder eingefangen zu werden.

Endlich zu Hause, wollte ihr Mann nichts mehr von ihr wissen. Das Kind der Rebellen brachte sie allein zur Welt. "So werden die Frauen zweimal bestraft", erklärt Therese Mema. Nach langen Gesprächen mit ihr versucht das Paar, seinen Weg wieder gemeinsam zu gehen.

"Das Baby ist vom Teufel"

Inzwischen spielt Solanges Mann mit dem Baby. Doch wenn es krank ist oder weint, sagt er noch heute: "Das Baby ist vom Teufel!" So hat Solange an manchen Tagen das Gefühl, sie bekommt eine zweite Chance im Leben - "aber an manchen Tagen wünschte ich mir, die Rebellen hätten mich getötet".


Quelle:
KNA