Seligsprechung von Ordensgründer Louis Brisson in einem Monat

Den Platz im "Uhrwerk Gottes" gefunden

Uhren faszinierten ihn. Die Präzision eines Uhrwerkes verglich der französische Priester Louis Brisson gerne mit der Vollkommenheit der Schöpfung Gottes. Der Gründer der Orden der Oblatinnen (1866) und Oblaten (1872) des heiligen Franz von Sales wird in genau einem Monat in der Kathedrale von Troyes seliggesprochen.

Autor/in:
Angelika Prauß
 (DR)

"Das Reich Gottes als "Uhrwerk Kirche" braucht noch zwei Zahnrädchen, um in dieser Welt zu wachsen und sich auszubreiten: zwei Kongregationen, die die Spiritualität des heiligen Franz von Sales wie einen Sauerteig in die Kirche mischen" - so fasst Thomas Vanek, der Provinzial der Deutschsprachigen Provinz der Oblaten des heiligen Franz von Sales (OSFS), Brissons Sendung zusammen. Für den Uhrenliebhaber sei ein Chronometer ein mystisches Zeichen für den Kosmos gewesen, weiß Vanek. "Je vollkommener ein Uhrwerk, desto mehr ähnelt es der Schöpfung Gottes", zitiert Vanek den Ordensgründer.



Für Brisson sei klar gewesen: "Alles geht ineinander über, greift ineinander wie die Zähne der Rädchen eines Uhrwerks."



Brisson wollte schon als Kind Priester werden

Dabei war dieses Ineinandergreifen für Brisson lange nicht ersichtlich. Am 23. Juni 1817 wurde er in Plancy, einem Dorf in der Champagne, geboren. Er erhielt Privatunterricht von seinem Pfarrer, der ihm die Liebe zur Mathematik, den Naturwissenschaften und der Astronomie vermittelte.



Dennoch wollte Brisson, der ein herausragender Schüler war, schon als Kind Priester werden. 1836 trat er ins Priesterseminar ein, Ende 1839 wurde er zum Diakon geweiht. Am 19. Dezember 1840 empfing er schließlich bei Minus 27 Grad die ersehnte Weihe - sein Vater wäre auf dem Heimweg von der Primiz fast erfroren.



Schicksalhafte Begegnung

Zunächst unterrichtete Brisson Religion und Naturkunde in der Mädchenschule der Heimsuchungsschwestern von Troyes. Nebenbei wirkte er dort als Spiritual. Die Schwestern wollten dem jungen Seelsorger unbedingt Maria Salesia Chappuis vorstellen, damals Oberin der Heimsuchungsschwestern in Paris. Ostern 1842 besuchte sie der Priester, das Treffen mit der Ordensfrau sollte ihn maßgeblich prägen. Sie fühlte sich, bestärkt von Visionen, berufen eine Ordensgemeinschaft von Männern im Geiste von Franz von Sales zu gründen. In dem Seelsorger sah sie die perfekte Gründerpersönlichkeit.



Doch Brisson, der im Oktober 1843 offiziell zum Spiritual und Beichtvater der Heimsuchungsschwestern ernannt wurde, wollte davon nichts wissen. Viel wichtiger als die visionären Ideen der Ordensfrau war es dem naturwissenschaftlich-nüchtern denkenden Seelsorger, die vielen jungen Fabrikarbeiterinnen und -arbeiter im Zeitalter der Industrialisierung zu unterstützen und ihnen religiöse und soziale Bildung zukommen zu lassen.



Den Fabrikarbeiterinnen die Arbeit erleichtern

In seiner wenigen Freizeit betätigte er sich als Erfinder. All seine Tüfteleien dienten dazu, den Arbeiterinnen die Arbeit zu erleichtern: Brisson entwickelte eine Teigknetmaschine, eine Waschmaschine, eine Wäschetrockneranlage, eine Bügelmaschine und Warmhalteboxen für Essen. Außerdem baute er acht Jahre lang an einem astronomischen Chronometer. "Ich arbeite gerne an einer solchen Uhr, für mich ist das entspannend, und ich finde Gott darin wieder", begründete er einmal seine Liebe zu Zeitmessern. Die Uhr wurde bei der Weltausstellung in Paris prämiert.



Das Schicksal führte Brisson und Maria Salesia Chappuis bald wieder zusammen. 1844 wurde die Ordensfrau zur Oberin des Heimsuchungsklosters in Troyes gewählt. Sofort begann diese wieder, ihren Spiritual für die Ordensgründung zu gewinnen. Abermals sträubte sich Brisson; er fing in seiner Not sogar an, göttliche Zeichen und Wunder heraufzubeschwören. Nach zwei wundersamen Ereignissen und einer Christus-Erscheinung willigte er 1845 ein.



Dennoch sollten noch Jahrzehnte bis zur Gründung des Männerordens vergehen. Durch die Christus-Vision war Brisson zwar bereit, Marie de Sales Chappuis überhaupt zuzuhören und sich erklären zu lassen, welche Ziele und Aufgaben dieser Männerorden verwirklichen soll.

Doch er musste selbst erst einmal lernen, wer dieser Franz von Sales überhaupt war und was man unter salesianischer Spiritualität versteht - bevor er einen entsprechenden Orden gründen konnte.



Richtiger Zeitpunkt

Zunächst gründete Brisson 1866 die Schwesterngemeinschaft der Oblatinnen des heiligen Franz von Sales. Die ersten Ordensfrauen dieser Gemeinschaft leiteten Heime für junge Fabrikarbeiterinnen.



Als Brisson bereit war, die einzige katholische Privatschule für Jungen in Troyes zu übernehmen, schien der richtige Zeitpunkt für die Gründung der Oblaten des heiligen Franz von Sales gekommen zu sein: 1872 bekamen die ersten Lehrer der Schule und Brisson grünes Licht von ihrem Bischof, als spirituelle Gemeinschaft leben. Drei Jahre später erhielten die Oblaten die päpstliche Anerkennung als Ordensgemeinschaft.



Die letzten 30 Lebensjahre des Ordensgründers verliefen teilweise dramatisch. Zwar erlebte er das Aufblühen seiner beiden Ordensgemeinschaften und deren Ausbreitung in Afrika sowie Nord- und Südamerika. Zugleich musste der Ordensgründer miterleben, wie seine Werke in der französischen Heimat zerstört worden sind. Im ausgehenden 19. Jahrhundert versuchte die Regierung die Kirche - vor allem deren Einfluss auf Bildung und Erziehung - auszuschalten.



1903: Beide Orden werden aus Frankreich vertrieben

Beide Orden wurden 1903 staatlich aufgehoben und aus Frankreich vertrieben. Brisson selbst kehrte an seinen Geburtsort zurück und lebte dort im Haus seines Großvaters. 1907 wurde gerichtlich beschlossen, dass sämtlicher Besitz, der den beiden Ordensgemeinschaften einmal gehört hatte, sofort konfisziert und verstaatlicht werden sollte. So musste Brisson im Januar 1908 miterleben, wie das Haus der Familie zur Versteigerung stand. Nur wenige Wochen später starb er am 2. Februar 1908 in Plancy im Alter von 90 Jahren.



30 Jahre später wurde der Seligsprechungsprozess in Troyes eröffnet. Doch erst in den 1950er Jahren konnte er - bedingt durch den Zweiten Weltkrieg - dort abgeschlossen werden. Am 24. Februar 1964 wurde der Seligsprechungsprozess in Rom eröffnet. Doch es vergingen noch einmal 45 Jahre, bis am 19. Dezember 2009 Papst Benedikt XVI. das Dekret über die Heroiziät der Tugenden unterzeichnete. Exakt zwei Jahre später wurde das zur Seligsprechung notwendige Wunder anerkannt: die unerklärliche Heilung des achtjährigen Ecuadorianers Carlos Luis Penaherrere im Jahr 1953. Dem Jungen wurde bei einem Unfall die große Zehe zerquetscht; nur zehn Tage später war auf die Fürsprache Brissons von der medizinisch kaum behandelten Verletzung nichts mehr zu sehen.