Seit rund 100 Jahren wird Muttertag gefeiert

Was der Muttertag mit Feminismus zu tun hat

Muttchen, Alte, Erziehungsberechtigte, Mama, Mutti oder Rabenmutter: Für die Mutter gibt es viele Namen. Schließlich hat ja jeder eine, wenigstens im biologischen Sinn. Eine Betrachtung zum Muttertagsjubiläum.

Autor/in:
Nina Schmedding
Symbolbild Mutter mit Kind / © Evgeny Atamanenko (shutterstock)
Symbolbild Mutter mit Kind / © Evgeny Atamanenko ( shutterstock )

Wer das Wort "Mutter" online im Duden nachschlägt, stutzt zunächst einmal: Als erstes findet er den Verweis auf die Bedeutung des Wortes als "Schraube". Erst danach folgen die Erklärungen, mit denen man zuerst gerechnet hätte - eine Frau, die Kinder geboren hat, eine Frau, die Kinder versorgt.

Mutter mit Kind / © Patrick Pleul (dpa)
Mutter mit Kind / © Patrick Pleul ( dpa )

Mutter Erde, Mutter Natur, Mutter Gottes, Mutter aller Schlachten: Wenige Wörter sind im Deutschen derart mit Bildern und Emotionen verknüpft wie das Wort "Mutter", einem vom Althochdeutschen "muoter" stammenden ursprünglichen Lallwort der Kindersprache. Sogar beim Gedanken an die technisch-neutrale "Schraubenmutter" - ein kleines metallenes Ding mit einem Loch in der Mitte - ploppen bei der Erklärung des Dudens unerwartet plastische Bilder im Kopf auf: So ist sie nach dem Vergleich mit der Gebärmutter benannt, die ein werdendes Kind umschließt.

Eigentliches Ziel: Solidarität untereinander

Seit 100 Jahren wird in Deutschland der Muttertag gefeiert, immer am zweiten Sonntag im Mai. Einmal im Jahr werden Mütter beschenkt, vorzugsweise mit Blumen oder Pralinen - ein Tag, der dem Kommerz unterliegt. Erfunden hat ihn die - ledige und kinderlose - Amerikanerin Anna Marie Jarvis (1864-1948) aus Grafton im US-Bundesstaat West Virginia. Sie wollte damit ihrer Mutter ein Andenken setzen, die sich für eine bessere medizinische Versorgung von Müttern und deren Kindern sowie von Kriegsheimkehrern einsetzte.

Gemeinsam sollten Frauen an diesem Tag Flagge zeigen für Solidarität untereinander, soziale Dienste und gegen Kriegseinsätze. Kein Tag des Schenkens also, sondern ein Tag der Wohltätigkeit und des Pazifismus. 1908 gab es am zweiten Maisonntag den ersten Gedenkgottesdienst in Grafton zu Ehren von Annas Mutter, die zwei Jahre zuvor im Mai gestorben war. 1914 wurde der Tag in den USA als Zeichen der Verehrung der Mutter ein nationaler Feiertag.

Muttertag wurde instrumentalisiert

Zum Ärger von Anna Jarvis kehrte sich aber der Ursprungsgedanke schnell um: Der Handel machte sich den Muttertagzunutze. Trotz ihrer Boykottaufrufe, die der Frauenrechtlerin gar einen Gefängnisaufenthalt einbrachten, floriert das Geschäft bis heute - auch in Deutschland. Es ist der Tag, an dem Blumenläden ihr großes Frühjahrsgeschäft machen.

Muttertag / © Racamani (shutterstock)

Auch die Nazis instrumentalisierten den Muttertag für ihre Zwecke: Im Deutschen Reich wurde der Muttertag zu einer Feier der germanischen Rasse. Die Auszeichnung des Mutterkreuzes in Bronze, Silber oder Gold wurde nach Anzahl der "reinrassigen" Kinder am Muttertag verliehen: je mehr Kinder, desto besser. Ein Grund, warum die DDR den Tag abschaffte und stattdessen den Internationalen Frauentag am 8. März feierte.

In der vereinten Bundesrepublik erfreut sich der Muttertag nach wie vor großer Beliebtheit. Nach verschiedenen Umfragen beschenken durchschnittlich mindestens drei von zehn Deutschen ihre Mutter zum Muttertag - vermutlich auch, weil das Wort "Mutter" für niemanden ein neutraler Begriff und sehr gefühlsbesetzt ist.

Mutterschaft als Tugend

Dafür verantwortlich sind eigene Erfahrungen und ungezählte Narrative - wenn auch nicht nur positive. Mütter können nerven ("Kind, zieh dir die Regenjacke an") oder das eigene Kind ehrgeizig antreiben wie die vielzitierte "Eislaufmutti". Die griechische Mythologie kennt gar "Medea", die ihre eigenen Söhne tötete, um deren Vater kinderlos zu machen.

Dennoch sei in Deutschland das Bild von der "guten Mutter" nach wie vor vorherrschend, erklärt die Dresdner Soziologin Anne-Laure Garcia. Sie verweist auf Forschungen, nach denen der Ursprung des deutschen Mutterideals im Protestantismus Martin Luthers zu verorten sei. Die wichtigste Aufgabe der christlichen Frau lag demnach im Pflegen und Erziehen der Kinder.

"Die physische Mutterschaft, die bisher als Manifestation der Erbsünde galt, wurde dadurch nicht nur aufgewertet, sondern sie wurde vielmehr sogar zu einer Tugend", so Garcia, die an der TU Dresden zur Mutterschaft forscht. Dieses Bild von der "fürsorglichen Mutter" dominiere in Deutschland immer noch, wenn auch in säkularisierter Form.

 Mutter und Kind sitzen in einer Kirchenbank
 / © Harald Oppitz (KNA)
Mutter und Kind sitzen in einer Kirchenbank / © Harald Oppitz ( KNA )

Die in erster Linie fürsorgende Mutter: Eine Vorstellung, die etwa Gudrun Mebs 1983 in ihrem Buch "Sonntagskind" beschreibt - und humorvoll hinterfragt. Das Buch, das damals den Deutschen Kinderbuchpreis gewann, schildert, welche Vorstellung ein zehnjähriges Waisenmädchen von einer Mutter hat. Als es die zukünftige Adoptivmutter, eine rauchende, etwas chaotische Schriftstellerin kennenlernt, ist das Kind zunächst sehr enttäuscht: "Sie ist keine Mami, das ist mal klar. Keine für mich jedenfalls. Mamis sehen anders aus. Mamis sind mehr so würdevoll, und breiter am Körper sind sie auch, und meistens haben sie Locken und lächeln lieb und still und versorgen einen."

Berufstätige Mütter oft in der Kritik

Für Deutschland sei die Überzeugung spezifisch, "dass Babys bei ihren biologischen Müttern sein sollten, um sich wohl zu fühlen und gut zu gedeihen", erklärt die deutsch-französische Soziologin Garcia. Dies werde etwa durch das Recht auf Erziehungsurlaub reproduziert. Die Mutter eines Sohnes, die kurz nach Ablauf des achtwöchigen Mutterschutzes wieder anfing zu arbeiten, erntete nach eigenem Bekunden dafür viel Verwunderung. "Dies hat viele Menschen in meiner Umgebung erstaunt", erzählt die 40-Jährige.

Und auch wenn die Zahl der arbeitenden Mütter laut Statistischem Bundesamt seit Jahren ansteigt und mittlerweile drei von vier Müttern berufstätig sind: Es zeigt sich bis in die Sprache, dass man es in Deutschland als berufstätige Mutter eigentlich niemandem recht machen kann.

"Rabenmütter" und "Karrierefrau" sind Begriffe, die etwa ins Französische schwer zu übersetzen seien, so Wissenschaftlerin Garcia. Sie koppelten "das Ideal der Weiblichkeit über die Abwertung anderer Orientierungen an die Priorität der Familie". Die Wörter "Rabenväter" oder "Karrieremänner" existieren im deutschen Sprachgebrauch dagegen nicht.

Muttertag

Der Muttertag, Feiertag zu Ehren der Mütter, wird immer am 2. Maisonntag in mehr als 40 Ländern begangen. Er geht zurück auf die amerikanische Methodistin Ann Jarvis; ab 1907 kämpfte sie für einen Mütter-Ehrentag. Anlass war der erste Todestag ihrer eigenen Mutter.

US-Präsident Thomas Woodrow Wilson erklärte 1914 per Gesetz den Muttertag zum offiziellen Staatsfeiertag. In Deutschland wurde der neue Brauch vor allem durch die Förderung des Verbandes Deutscher Blumenhändler nach dem 1. Weltkrieg übernommen; die weiße Nelke galt damals als Symbol des Muttertags.

Muttertag / © Patrick Pleul (dpa)
Muttertag / © Patrick Pleul ( dpa )

 

Quelle:
KNA