Seit jeher kämpfen Glaube und Wissenschaft um die Astronomie

Die Eroberung des Himmels

Der Fall Galileo kennt viele Varianten. Seit Menschen Sternenkunde betrieben, verquickten sich Wissensdurst und Machtinteressen, ging es um religiöse Weltbilder und technische Kenntnisse zur Festigung irdischer Herrschaft. Eine Ausstellung in Florenz zeigt nun, wie die Erschließung des Himmels lange vor Galileo mit einem Kampf um Weltanschauungen und Glauben verbunden war.

Autor/in:
Burkard Jürgens
 (DR)

Im alten Mesopotamien versuchten Gelehrte aus dem Gang der Gestirne günstige Termine für das Handeln zu bestimmen und Künftiges vorherzusagen. Forscher, Priester und Könige arbeiteten seither Hand in Hand. Ähnlich bestimmte in Ägypten die Sternenkunde das öffentliche Leben: Vom Aufgang des Orion errechneten die Beamten des Pharao, wann die richtige Zeit war, um die Felder im Niltal zu bewässern.

Unter griechischen Philosophen wie Anaximander (6. Jh. v. Chr.) und besonders Aristoteles (384-322 v. Chr.) verlor der Himmel seine göttliche Gestalt. Das Sternenzelt und die Bewegung der Himmelskörper galten als physikalische Erscheinungen - auch wenn unklar war, wie sie funktionierten. Lange bevor Ptolemäus (2. Jh. n. Chr.) das geozentrische Weltbild in seine lange gültige Form brachte, erörterte man Alternativen dazu. Dass sich bestimmte Phänomene besser erklären ließen, wenn man nicht von der Erde als Mittelpunkt des Universums ausging, war jedenfalls weit über tausend Jahre vor Galileo kein Geheimnis.

Die Erde als Rechteck
Das christliche Mittelalter vernachlässigte das antike Erbe; mit den griechischen Heiden wollte man nicht allzu viel zu tun haben. Zu den Gegenentwürfen gehört das bibeltreue Weltbild des alexandrinischen Fernreisenden Cosmas Indikopleustes (6. Jh.): Er sah die Erde als Rechteck, um dessen zentrales Gebirge Sonne und Mond kreisen. Mit seiner Idee setzte er sich ebenso wenig durch wie Hildegard von Bingen mit ihrer Vision von Gott-Geist und Kosmos.

Maßgeblich blieb das Hauptwerk des Ptolemäus, überliefert unter dem arabisierten Titel "Almagest". Es waren zunächst islamische Gelehrte, die das wissenschaftliche Erbe der Antike aufnahmen und weiterentwickelten. Die Astronomie half, etwa den Beginn des Fastenmonats Ramadan oder die Gebetsrichtung nach Mekka zu ermitteln. Auch Kriegszügen und dem arabischen Fernhandel kamen astronomische Mess- und Navigationsinstrumente zu Hilfe.

Kein Wunder, dass um Moscheen von Damaskus bis Valencia hochpräzise Astrolabien und Himmelsgloben entstanden. Als auch im Abendland das wissenschaftliche Interesse wuchs, waren die Geräte islamischer Gelehrter bei Christen begehrt: Im Besitz der Medici findet sich ein Astrolab, dessen arabische Beschriftung man für den Gebrauch in Florenz teilweise durch eine lateinische Gravur ersetzt hat.

Wenig Scheu vor einem kulturellen Cross-over
Überhaupt hatten Christen oft wenig Scheu vor einem kulturellen Cross-over: So zeigt ein monumentaler Wandteppich aus der Kathedrale von Toledo im 15. Jahrhundert die Himmelsmechanik, wie sie von einem Engel mittels einer Kurbel bewegt und vom Mythenhelden Atlas gestützt wird; auch ein arabischer Astrolab ist zu sehen, und antike heidnische Denker flankieren die Szene - das alles unter dem gütigen Auge Gottes.

Galileo Galilei (1564-1642) revolutionierte die Himmelskunde, indem er sie von einer rein mathematischen Wissenschaft zu einer Beobachtungswissenschaft wandelte. Seine Attacke auf die von Aristoteles bestimmte Weltsicht der Kirche war auch ein Kampf um die Deutungshoheit. Galileo suchte dabei Gunst und Schutz der Mächtigen. Nicht zufällig taufte er die Jupitermonde, die er bei seinen Fernrohrbeobachtungen im Winter 1609/1610 entdeckte, "mediceische Gestirne". Damit empfahl er sich dem florentinischen Herrscherhaus der Medici - und sie dankten es ihm mit der höchstdotierten Forschungsprofessur seiner Zeit.

Der observierte Mond wurde zum Kolonialgebiet: Vier Jahrzehnte nach den ersten Skizzen Galileos war seine Oberfläche kartographiert und mit Namen versehen. Der Jesuit und Astronom Giovanni Battista Riccioli (1598-1671) verewigte 248 Kollegen aus Antike und Gegenwart, indem er die einzelnen Orte des Mondes nach ihnen benannte. So heißen sie bis heute.

Unterdessen erlangte Galileo einen fast mythischen Ruf. Das unscheinbare Teleskop, mit dem er 1609 den Winterhimmel beobachtet hatte, wurde wenige Jahre später ein Opfer der Schwerkraft und ging zu Bruch. 1677 ließ man die zersprungene Linse in einen kostbaren Rahmen aus Elfenbein und Ebenholz setzen - die Reliquie eines Genius, der längst im Forscherhimmel weilt.