Seit 20 Jahren leitet Karla Schefter das Chak-e-Wardak Krankenhaus

"Ich bin wegen der Menschen geblieben"

 (DR)

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Von Martin Meuthen (epd) =

Dortmund (epd). Karla Schefter ist eine selbstbewusste Frau. «Es geht jetzt nicht um Indien!», quittiert sie den Hinweis einer Zuschauerin, die Kabuler Basare ähnelten denen in Kalkutta. Betretene Stille. An diesem Abend geht es wiedermal um ihr Projekt: Das Chak-e-Wardak Krankenhaus in Afghanistan. 65 km südlich von Kabul gelegen, ist es in der Provinz Wardak das einzige Krankenhaus für rund 400.000 Menschen. Vor knapp 20 Jahren hat die ehemalige Dortmunder OP-Schwester das Vorzeigekrankenhaus gegründet.

   Seit ihrer ersten Ankunft in Afghanistan 1989 hat Schefter fünf Regimewechsel miterleben müssen. Vom Kampf der Mudschahedin gegen das Nadschibullah-Regime bis hin zur enttäuschenden Präsidentschaft Hamid Karzais - stets konnte sie die Fronten in dem Land beobachten, das zweieinhalb so groß ist wie die Bundesrepublik. Heute sei das anders.
«Fronten gibt es überall. Jeder kann eine Front sein».

   Für ihre unermüdliche Arbeit hat sie viele Auszeichnungen erhalten. Unter anderem 2004 das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse und
2006 den Malalai-Orden, die höchste Auszeichnung in Afghanistan.
«Weil mein Wort was gilt», erklärt Schefter. In den vergangenen Jahrzehnten seien viele Entwicklungshelfer gekommen und wieder gegangen. Sie blieb.

   Nachdem die sowjetischen Truppen 1989 Afghanistan verlassen hatten, sollte mit finanzieller Hilfe der EU in Chak-e-Wardak ein Krankenhaus in der Nähe eines Wasserkraftwerkes errichtet werden. Das Kraftwerk war über die Jahre nie angegriffen worden - ein gutes Zeichen. Zunächst wurden zwei Räume das Kraftwerks als ambulante Station umfunktioniert. 1991 konnte dann das erste Gebäude des Hospitals bezogen werden, mittlerweile verfügt das Krankenhaus über mehrere Gebäude und eine moderne Ausstattung für sämtliche medizinische Eingriffe.

«Bei uns wird niemand abgewiesen», betont Schefter. Jeder Patient werde behandelt, bei akuten Fällen auch kostenlos. Dafür müssten die Angehörigen des Patienten das Krankenhauspersonal bei einfachen Tätigkeiten wie Transporten und Reinigungsarbeiten unterstützen.
Gerade während der Sommermonate, wenn Wurmkrankheiten und Typhus Hochkonjunktur haben, wird es eng. Bis zu 800 Patienten müssen sich dann zeitweise die 60 Betten teilen.

   Das Chak-e-Wardak-Krankenhaus sei nicht nur wegen seiner professionellen Ausstattung und dem engagierten Personal ein Erfolgsprojekt. «Die Afghanische Bevölkerung begreift dieses Hospital als ihr eigenes Projekt», erklärt Karla Schefter. Das Projekt sei von unten gewachsen und nicht wie viele andere Hilfsprojekte von oben verordnet worden. Alle Entscheidungen sind stets im Einklang mit der regionalen Kultur und den dortigen Menschen getroffen werden.

   Seit anderthalb leitet sie das Krankenhaus nur noch aus der pakistanischen Stadt Peschawar. Eine Reise in die afghanische Provinz sei mittlerweile zu gefährlich. Zahlreiche, zum Teil untereinander verfeindete extremistische Splittergruppen hielten das Land in Atem.
Längst nicht alle von denen seien Taliban. «Da muss man sehr stark differenzieren», betont Schefter.

   Auch wenn sie über all die Jahre nie eine Befürworterin von Militäreinsätzen gewesen sei, so sehe sie derzeit keine Alternative.
«Wenn sich das Militär aus Afghanistan zurückzieht, bricht das totale Chaos aus.» Ob Afghanistan im Krieg ist? «Ich tendiere eher dazu, von kriegsähnlichen Zuständen zu sprechen», sagt sie. Dennoch will sie im März wieder hinfliegen. Warum all die Mühen? «Das ist mein Leben. Ich wollte nur ein Jahr bleiben, aber ich bin wegen der Menschen geblieben.»

Internet: www.chak-hospital.org

Quelle:
DR

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