Seemannsmission kritisiert deutschen Rückzug aus "Sophia"-Mission

Ein Dilemma für Handelsschiffe

Seit Monaten streitet die EU mit Italien um die Mittelmeer-Mission "Sophia". Deutschland hat angekündigt, sich vorerst daraus zurückzuziehen. Eine Entscheidung auf Kosten von Besatzungen auf Handelschiffen, kritisiert die Deutsche Seemannsmission.

Die Politik streitet um die Mittelmeer-Mission "Sophia" (dpa)
Die Politik streitet um die Mittelmeer-Mission "Sophia" / ( dpa )

DOMRADIO.DE: Was hat denn die Mission "Sophia" bisher geleistet?

Matthias Ristau (Seemannspastor in Hamburg, Deutsche Seemannsmission): Die Mission Sophia ist eigentlich nicht dafür eingerichtet worden Flüchtlinge zu retten, hat das aber immer wieder getan. Damit hat sie dazu beigetragen, dass die Seeleute von Handelsschiffen nicht so sehr davon betroffen waren, weil eben genug Marineschiffe in der Nähe waren, um Schiffbrüchige zu retten.

DOMRADIO.DE: Wenn Deutschland nun wirklich aussteigt – zumindest vorübergehend – was heißt das konkret?

Ristau: Das heißt, dass dann noch weniger Schiffe in der Region sind – und auf dem Meer sind die Entfernungen ja wesentlich größer. Es dauert länger, bis jemand zu einem Ort kommt. Und dann ist immer das nächste Schiff dran und muss helfen. Das bedeutet für die Seeleute auf Handelsschiffen, dass sie viel öfter gefordert sind, obwohl sie eigentlich dafür gar nicht ausgerüstet sind.

Die Seeleute stecken dann in dem Dilemma, dass sie einerseits rechtlich verpflichtet sind, nicht einfach vorbeizufahren. Andererseits ist schon die Rettung an sich schwierig. Und wenn sie dann gelingt, haben die Besatzungen immer noch das Problem, die Geretteten irgendwo in einem Hafen absetzen zu können. Denn viele Häfen weigern sich mittlerweile, die Leute aufzunehmen.

DOMRADIO.DE: Glauben Sie, dass alleine schon weniger Menschen gerettet werden, weil die Besatzungsmitglieder dieser Handelsschiffe gar nicht dazu ausgebildet sind?

Ristau: Die Besatzungen würden alles tun, um zu retten. Aber das Problem ist, dass die Frachtschiffe oft viel zu hoch sind, um die Leute von einem kleinen Schlauchboot aufnehmen zu können. Das Ganze ist also rein technisch schon sehr schwierig. 

DOMRADIO.DE: In welche Konflikte kommen die Seeleute denn persönlich?

Ristau: Sie wollen retten und sehen dann, wie die Leute unten auf dem Boot sind und nicht hochkommen auf das große Schiff. Dann lassen sie das Beiboot runter, können aber gar nicht alle Leute dort aufnehmen. Und sie sehen dann, wie vor ihren Augen Menschen ertrinken. Manchmal sind sie auch nicht schnell genug und kommen an Orte, wo die Menschen schon ertrunken sind.

DOMRADIO.DE: Was ist Ihre Vorstellung davon, wie es weitergehen könnte oder wie man noch etwas anderes erreichen kann?

Ristau: Als Seemannsmission sehen wir das ja aus der Perspektive der Seeleute auf den Handelsschiffen. Und wir sagen ganz klar: Die Seeleute von Handelsschiffen sind dafür da, Menschen in Seenot im Notfall zu retten. Aber das, was dort jetzt geschieht, das müsste anders organisiert werden. Es müsste eine organisierte regelmäßige Rettung stattfindet, damit Seeleute auf Handelsschiffen das wirklich nur in Ausnahmefällen machen müssen.

Das Interview führte Dagmar Peters.


Die Fregatte "Augsburg" der Deutschen Marine / © Mohssen Assanimoghaddam (dpa)
Die Fregatte "Augsburg" der Deutschen Marine / © Mohssen Assanimoghaddam ( dpa )
Quelle:
DR
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