Ein Jahrzehnt Stuttgarter "Haus der Katholischen Kirche"

"Seelsorge und Pastoral in der City neu buchstabieren"

In diesem Januar besteht das Stuttgarter "Haus der Katholischen Kirche" – nahe einer der teuersten Einkaufsstraßen Europas – seit zehn Jahren. Im Interview zieht der Chef des Hauses Bilanz des ersten Jahrzehnts und wagt einen Ausblick.

"Haus der Katholischen Kirche" in Stuttgart / © Harald Oppitz (KNA)
"Haus der Katholischen Kirche" in Stuttgart / © Harald Oppitz ( KNA )

KNA: Das "Haus der Katholischen Kirche" liegt an die Domkirche Sankt Eberhard angrenzend im Herzen der Stadt in der Königstraße, einer der teuersten Einkaufsstraßen Europas. Hier sitzen auch das Stadtdekanat, eine kirchennahe Bank, eine Verlagsbuchhandlung und die Caritas. Warum gibt es überhaupt das 'Haus der Katholischen Kirche'?

Roland Weeger (Chef des "Hauses der Katholischen Kirche"): Die katholische Kirche in Stuttgart suchte einen Ort, an dem sie außerhalb von Kirchenräumen in der City präsent sein kann. So entstand unser Haus - an die Domkirche angelehnt und zur Stadt die Arme öffnend.

KNA: Was macht das Haus das?

Weeger: Was die Architektur angeht ist besonders das lichtdurchflutete Atrium zu nennen - es symbolisiert Offenheit. Diese Idee kam genauso an, wie sie gemeint war. Viele finden es bis heute mutig, dass die Kirche so gebaut hat.

Inhaltlich sind es die fünf Begriffe, die schon vor der Eröffnung für uns prägend wurden: Gastfreundschaft, Information, Seelsorge, Bildung und Kultur. Das Haus gibt Menschen einen Raum, in dem sie sich gerne aufhalten und in dem niemand konsumieren muss. Das Info-Zentrum kann zum Beispiel etwas zu Anlaufstellen der Caritas, Gottesdienstzeiten oder auch über die Möglichkeit sagen, ein Kind taufen zu lassen - da ist der Übergang zur Seelsorge oft fließend. Nicht zuletzt das Katholische Bildungswerk im Haus steht mit Hunderten Veranstaltungen jährlich für Bildung und Kultur.

KNA: Hat sich das Haus etabliert?

Weeger: Auf jeden Fall. Wir haben trotz einer sehr großen Konkurrenz in der Innenstadt rund 1.000 Veranstaltungen und Belegungen jährlich. Neben kirchlichen und öffentlichen Institutionen kommen Arbeitgeber, Gewerkschaften und Firmen zu uns und mieten Räume. Und jeden Tag sind Hunderte da, die ins Cafe, zur Bank oder in den Buchladen wollen.

KNA: Was können Sie besser machen?

Weeger: Wir stehen zum zehnjährigen Jubiläum vor Veränderungen im Erdgeschoss, das wir umgestalten, um das Haus für noch mehr Menschen lebendig und attraktiv zu machen. Wir setzen dabei auf bewährte und neue Partner, die etwa auch Produkte aus Klöstern anbieten werden.

Zur Weiterentwicklung unseres Hauses gehört für mich, die Vernetzung mit den kulturellen und politischen 'Playern' unserer Stadt auszubauen oder auch die Begriffe Seelsorge und Pastoral für diesen herausgehobenen Ort von Kirche neu zu buchstabieren.

KNA: Wie sehen Sie das Stuttgarter Haus im Vergleich zu seinen älteren Geschwistern, dem Kölner Domforum und dem Frankfurter Haus am Dom?

Weeger: Weil die Konzepte ganz unterschiedlich sind, können die Häuser nur schwer miteinander verglichen werden. In Köln ist der Katholizismus anders verwurzelt als in Frankfurt oder Stuttgart, und gerade das Frankfurter Haus ist aus meiner Sicht als Standort der Akademie mehr ein Veranstaltungs- als ein offener Begegnungsort.

Jedes Haus ist in seiner Form einzigartig und wichtig. Vergleichbar ist, dass alle mitten in der jeweiligen Stadtgesellschaft sitzen und sich in die kirchlichen und säkularen Debatten einmischen.

Das Interview führte Michael Jacquemain.


Quelle:
KNA