Schwester Katharina Ganz nimmt Weltsynode in die Pflicht

"Wir haben nicht mehr so viel Zeit"

Die katholische Kirche muss nach Meinung von Schwester Katharina Ganz weltweit rasch Geschlechtergerechtigkeit herstellen. Reformen zum Thema müssten auf der Weltsynode angestoßen werden, fordert die Ordensfrau.

Schwester Katharina Ganz (l.) / © Maximilian von Lachner (SW)
Schwester Katharina Ganz (l.) / © Maximilian von Lachner ( SW )

DOMRADIO.DE: Welche Rolle wird die Frau in der Kirche zukünftig haben? Darüber wird gerade in Leipzig, auf einer Veranstaltung der Katholischen Akademie des Bistums Dresden-Meißen unter dem Titel "Gottes starke Töchter" diskutiert. Sie sitzen dort auch auf dem Podium. Welche Aufgaben und welche Ämter sollten Frauen in Zukunft in der Kirche einnehmen? 

Schwester Katharina Ganz OSF (Generaloberin der Oberzeller Franziskanerinnen): Ich habe noch ein Interview mit Beate Gilles, der Generalsekretärin der Deutschen Bischofskonferenz, und mit Ilse Junkermann, der Landesbischöfin im Ruhestand aus dem Bistum Magdeburg von gestern im Ohr. Beate Gilles hat gesagt, sie habe es leid, immer Teil einer Frage zu sein, wenn man von der Frauenfrage spreche. Sie sagt, sie sei Teil der Antwort.  

Schwester Katharina Ganz

"Es geht wirklich um umfängliche volle Beteiligung, Mitgestaltung, Leitungsverantwortung und auch um die Öffnung der Weiheämter für Frauen."

Dieses Narrativ steht für mich für vieles, was in dieser Tagung nun besprochen wird. Frauen sind Teil der katholischen Kirche. Eine Referentin aus dem Senegal hat gestern etwa gesagt, Frauen seien die Wirbelsäule der Kirche in Afrika. Und wir möchten als solches ernst genommen werden, auf Augenhöhe in allen Bereichen, wo Entscheidungen fallen - Partizipation, Ämter, Dienste.

Es geht wirklich um umfängliche volle Beteiligung, Mitgestaltung, Leitungsverantwortung und auch um die Öffnung der Weiheämter für Frauen. 

Schwester Katharina Ganz / © Maximilian von Lachner (SW)
Schwester Katharina Ganz / © Maximilian von Lachner ( SW )

DOMRADIO.DE: In der katholischen Kirche herrscht aber keine Demokratie. Muss man da nicht ein bisschen realistischer sein? Kommt auch das durch?

Ganz: Der Satz "Die Kirche ist keine Demokratie" erfüllt mich immer mit Sorge. Wenn wir uns in der Gesellschaft umschauen, müssen wir uns große Sorgen um die Demokratien in unserer Welt und damit auch - ausgehend von Diktaturen und autokratischen Systemen - um den Weltfrieden insgesamt machen.

Eine Kirche, die sich nicht endlich zu den Menschenrechten, zu demokratischen Staatsformen, zu Formen der Mitbestimmung bekehrt und die sich nur noch mit sich selbst beschäftigt, kann ihrem Auftrag in unserer Zeit nicht mehr gerecht werden.

Schwester Katharina Ganz

"Die strukturellen, systemischen Ursachen müssen angegangen werden und das muss ein Thema sein auf der Weltsynode."

Wir hoffen, dass die internen Themen jetzt bald abgeräumt werden, damit wir wieder stärker als verlässliche Partnerin in den großen Themen der Welt wahrgenommen werden. Dazu gehören auch Formen der Mitbestimmung und der demokratischen Beteiligung.

Übrigens: Selbst der Papst wird gewählt. Beate Gilles ist gewählt worden. Natürlich gibt es auch Demokratie in der Kirche. 

DOMRADIO.DE: Sie selbst nehmen an einem Podium teil und sprechen unter dem Motto "Die Frauenfrage - Zukunftsfrage der Kirche". Das heißt, es ist eine Existenzfrage für Sie, oder? 

Ganz: Es ist eine Existenzfrage für die Kirche weltweit. Das ist hier sehr deutlich geworden. Wir haben Berichte aus Australien, Afrika oder Lateinamerika gehört, dass Frauen weltweit unter diesen massiven Ausgrenzungen, Benachteiligungen, Diskriminierungen, Gewalterfahrungen und Missbrauchserfahrungen leiden - nicht nur in ihren Gesellschaften, sondern auch im binnen-kirchlichen Bereich.

Das muss überwunden werden. Die strukturellen, systemischen Ursachen müssen angegangen werden und das muss ein Thema auf der Weltsynode sein.

Schwester Katharina Ganz

"Auch wenn immer wieder gesagt wird, in der Kirche dauere alles Jahrzehnte: Wir haben nicht mehr so viel Zeit!"

Wir sind auch geschockt von dem, was aus der Schweiz bekannt wird (Anm. d. Red.: Eine Studie hatte vor kurzem zahlreiche kirchliche Missbrauchsfälle aufgedeckt. Einzelheiten finden Sie hier.). Mit mir wird Tatjana Disteli aus der Schweiz (Anm. d. Red.: Generalsekretärin der Landeskirche Aargau) auf dem Podium sitzen. Sie sagte mir gestern Abend noch, die Frauen laufen der Kirche in der Schweiz jetzt in Heerscharen davon, weil das massive Leitungsversagen der Bischöfe nochmal deutlich geworden ist.

Es ist ein weltweites Phänomen. Wir müssen umsteuern. Auch den jungen Leuten reißt der Geduldsfaden. Sie bleiben nicht noch eine ganze Generation. Auch wenn immer wieder gesagt wird, in der Kirche dauere alles Jahrzehnte: Wir haben nicht mehr so viel Zeit.

DOMRADIO.DE: Fühlen Sie sich mit dem gehört, was Sie da auf den Weg bringen? 

Ganz: Zumindest geschieht hier auch Vernetzung. Es sind einige Frauen da, die auch an der Weltsynode teilnehmen. Ich glaube, dass es einfach im Vorfeld dieser Synode wichtig ist, sich zu vernetzen, Argumente auszutauschen, Sachfragen zu diskutieren und auch medial die Stimme in die Welt zu senden, damit das auch andere mitbekommen. 

Das Interview führte Verena Tröster.

Information der Redaktion: Eine digitale Teilnahme an der Veranstaltung "Gottes starke Töchter. Frauen und das Amt im Katholizismus" der Katholischen Akademie Dresden-Meißen ist hier kostenlos möglich.

Weltsynode 2021-2024

Mit der Weltsynode hat Papst Franziskus in der katholischen Kirche etwas Neues geschaffen. Erstmals werden bei einer Synode Nicht-Bischöfe und Nicht-Priester im großen Umfang ein Stimmrecht haben, darunter auch Frauen.

Inhaltlich soll es vor allem um neue Wege der Mitwirkung der kirchlichen Basis bei wichtigen Entscheidungen in der katholischen Kirche gehen. Obwohl erstmals auch nicht geweihte Männer und Frauen ein Stimmrecht haben, handelt es sich kirchenrechtlich um eine Bischofssynode.

Eröffnung der Weltsynode im Oktober 2021 / © Vatican Media/Romano Siciliani (KNA)
Eröffnung der Weltsynode im Oktober 2021 / © Vatican Media/Romano Siciliani ( KNA )
Quelle:
DR