Spiegel: Bluttest für Schwangere soll Kassenleistung werden

Schwangerschaft im Konjunktiv

Eltern hoffen auf ein gesundes Kind – was sonst? Doch was ist, wenn sie in der Schwangerschaft von einer Behinderung erfahren? Ein neuer Bluttest bringt schnelle Gewissheit. Die katholische Kirche befürchtet einen Dammbruch beim Lebensschutz.

Autor/in:
Christoph Arens
Pappschild mit der Silhouette eines Embryos bei einer Demo in Rom / © Cristian Gennari (KNA)
Pappschild mit der Silhouette eines Embryos bei einer Demo in Rom / © Cristian Gennari ( KNA )

Werdende Mütter in Deutschland können künftig leichter durch einen vorgeburtlichen Bluttest feststellen lassen, ob ihr Kind das Downsyndrom hat. Doch was auf den ersten Blick wie eine gute Nachricht klingt, wirft auf den zweiten Blick gravierende ethische Fragen auf und könnte das Erleben von Schwangerschaft und Geburt verändern.

Glaubt man einem Bericht des "Spiegel", werden die gesetzlichen Krankenkassen voraussichtlich die Kosten für einen vorgeburtlichen Bluttest auf das Downsyndrom übernehmen. Der für die Entscheidung zuständige Gemeinsame Bundesausschuss von Krankenkassen, Ärzten, Kliniken und Patientenvertretern will demnach vorschlagen, dass Barmer, AOK und Co. den Test bezahlen – allerdings nur dann, wenn es besondere Risiken oder Auffälligkeiten in der Schwangerschaft gebe.

Dammbruch beim Lebensschutz?

Noch umstritten sind offenbar Details. Am kommenden Freitag soll ein Beschlussentwurf vorgestellt und ein offizielles Stellungnahmeverfahren eingeleitet werden. Die abschließende Entscheidung wird voraussichtlich im Spätsommer fallen. Dabei geht es um mehr als eine neue Kassenleistung und Geld: Der Test könnte zu einem neuen Vorsorgestandard bei den Früherkennungsuntersuchungen werden. Und Eltern dazu zwingen, sich mit der Frage auseinanderzusetzen, ob ein möglicherweise an Downsyndrom leidendes Kind zur Welt kommen oder abgetrieben werden soll. "Der Test setzt Schwangerschaften in den Konjunktiv", so bringt es der "Spiegel" auf den Punkt.

Befürworter argumentieren, schon seit 1986 hätten Risikoschwangere einen Anspruch darauf, dass ihre Kasse eine Fruchtwasseruntersuchung bezahlt. Der Bluttest könne solche mit dem Risiko von Fehlgeburten behafteten körperlichen Eingriffe ersetzen. Gegner wie die katholische Kirche und Behindertenverbände befürchten einen Dammbruch beim Lebensschutz.

Ein paar Tropfen Blut

Ein Embryo-Screening zeichnet sich ab, zumal schon bald nach weiteren Gendefekten gefahndet werden kann. Schwangerschaften könnten abgebrochen werden, bevor die Mutter überhaupt eine Beziehung zum Kind aufgebaut oder die Umwelt die veränderten Umstände registriert habe, so die Befürchtung. "Wir sind verdammt noch mal auch Menschen", kämpft der mit Downsyndrom lebende Berliner Schauspieler Sebastian Urbanski gegen ein Screening. Der Pränataltest sortiere "Menschen wie mich schon vor der Geburt aus".

Seit 2012 gibt es auf dem deutschen Markt einen Gentest auf Trisomien. Ein paar Tropfen Blut der werdenden Mutter sollen Aufschluss über Erbgut und Gesundheitszustand des ungeborenen Kindes geben. Früher denn je lässt sich dann klären, ob das Kind eine Trisomie 21, also das Downsyndrom, hat. Der Test ist schon in der zehnten Schwangerschaftswoche anwendbar.

Fundamentale ethische Grundfragen

Bislang müssen gesetzlich Versicherte diesen Test aus eigener Tasche bezahlen, manche Privatversicherungen haben die Kosten schon übernommen. Das Konstanzer Unternehmen LifeCodexx, das das erste Produkt dieser Art unter dem Namen PraenaTest auf den Markt brachte, hat nach eigenen Angaben inzwischen mehr als 150.000 dieser Tests verkauft, davon die Hälfte in Deutschland.

Der Vorsitzende des Gemeinsamen Bundesausschusses, Josef Hecken, hat mehrfach erläutert, in welchem Dilemma er steckt. Das Gremium habe einzig den Auftrag, das Verfahren wissenschaftlich-technisch zu überprüfen. Zugleich aber seien mit den Bluttests fundamentale ethische Grundfragen der Werteordnung berührt.

Der Bundestag ist also gefragt. Schon 2015 hatten sich in seltener Einmütigkeit 158 Abgeordnete aller Fraktionen an die Bundesregierung gewandt und ihre Sorge über mögliche Fehlentwicklungen in der vorgeburtlichen Medizin bekundet. Im April wird das Parlament in einer Orientierungsdebatte über die heiklen ethischen Fragen streiten. In einem Positionspapier betonte eine interfraktionelle Gruppe von Abgeordneten der CDU, SPD, FDP, Linken und Grünen, dass es um grundlegende ethische Frage gehe, über die der Gesetzgeber entscheiden müsse. Diskutiert wird etwa, dass der Bluttest nur bei Risikoschwangerschaften und nur in einer gewissen Phase der Schwangerschaft angewendet werden soll. Auch müssten die Beratung der Eltern und die Förderung von Menschen mit Behinderung verbessert werden.


Quelle:
KNA