Schuster bleibt Präsident des Zentralrats der Juden

Nicht nur als Mahner für weitere vier Jahre im Amt

Josef Schuster bleibt für weitere vier Jahre Präsident der Spitzenorganisation der jüdischen Gemeinden in Deutschland. Er hat einiges vor und muss sich im Zentralrat weiter auch mit unerfreulichen Themen herumschlagen.

Autor/in:
Leticia Witte
Josef Schuster / © Harald Oppitz (KNA)
Josef Schuster / © Harald Oppitz ( KNA )

Josef Schuster startet in eine dritte Amtszeit. Der alte und neue Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland ist um deutliche Worte nie verlegen. Und diese Worte wird man auch in den nächsten vier Jahren von dem Spitzenvertreter für die Belange der jüdischen Gemeinschaft und Mahner gegen Antisemitismus, Hass und Populismus hören. Denn auf der Ratsversammlung, dem obersten Entscheidungsgremium des Verbandes, wurde Schuster am Sonntag in Frankfurt als Zentralratspräsident wiedergewählt. Er ist seit 30. November 2014 im Amt, als er Dieter Graumann nachfolgte. Im Jahr 2018 wurde er für eine zweite Amtszeit bestätigt.

Josef Schuster (l.), Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, und Franz Jung, Bischof von Würzburg / © Harald Oppitz (KNA)
Josef Schuster (l.), Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, und Franz Jung, Bischof von Würzburg / © Harald Oppitz ( KNA )

"Dies ist ein Zeichen der Kontinuität für die jüdische Gemeinschaft in Deutschland", so der Zentralrat. Auch die Vizepräsidenten Mark Dainow (Offenbach) und Abraham Lehrer (Köln) wurden am Sonntag in ihren Ämtern bestätigt. "In meiner dritten Amtszeit als Präsident möchte ich die positiven Elemente des Judentums in Deutschland stärker in den Vordergrund stellen. Wir wollen nicht immer nur moralischer Mahner sein, sondern Antworten auf die gesellschaftlichen Fragen unserer Zeit finden und damit auch Begegnungen schaffen und Vorurteile abbauen", erklärte Schuster nach seiner Wiederwahl.

Im Zentrum dieses Bemühens stehe die Eröffnung der Jüdischen Akademie des Zentralrats in Frankfurt, die für Frühjahr 2024 geplant sei. "Mir geht es auch darum, die Arbeit innerhalb der jüdischen Gemeinschaft stetig weiterzuentwickeln", betonte Schuster. Er freue sich, dass nach langen Beratungen nun auch eine neue Gerichtsbarkeit für die Gemeinden habe eingeführt werden können.

Der 68-Jährige vertritt den Zentralrat bei Gesprächen mit der Politik, Medien, Verbänden und mit Religionsgemeinschaften. Für den Fall seiner Wiederwahl hatte Schuster vorab im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) einige Vorhaben genannt, die angepackt werden müssten. Da sind zum Beispiel die Gemeinden: "Aus demografischen Gründen nehmen die Mitgliederzahlen ab. Vor allem für Familien und Jüngere sollten die Gemeinden Anlaufstellen und Begegnungsorte sein."

Zahlen gab vor einiger Zeit die Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland bekannt: Ende 2021 waren es 91.839 Jüdinnen und Juden, im Jahr davor 93.695. Das ist demnach ein stetiger Rückgang nach einem Höchststand 2006 mit 107.794 Menschen. Und: Die meisten Mitglieder (15.391) jüdischer Gemeinden waren zwischen 71 und 80 Jahren alt. Unter dem Dach des Zentralrats sind 23 Landesverbände mit mehr als 100 Gemeinden organisiert.

Zunahme eines offenen Antisemitismus

Was Schuster weiter begleiten wird, ist der Judenhass. "Erschreckend ist die Zunahme eines offenen Antisemitismus innerhalb der vergangenen vier Jahre." Dazu zählten der Anschlag auf die Synagoge in Halle und zahlreiche Übergriffe auf Jüdinnen und Juden. "2022 zeigte sich dieser unverhohlene Antisemitismus in der documenta." Judenhass sei in der Mitte der Gesellschaft angekommen. "Auch den Anstieg judenfeindlicher Straftaten halte ich für besorgniserregend." Diese lagen im vergangenen Jahr bei 3.027 Delikten - ein Anstieg um 29 Prozent auf einen neuen traurigen Höchststand.

Auf seine zweite Amtszeit blickte Schuster im KNA-Interview insgesamt zufrieden. Und hob die geplante Jüdische Akademie in Frankfurt hervor, für die vor gut einem Jahr der Grundstein gelegt worden war. Die Eröffnung der Akademie ist für Frühjahr 2024 geplant. "Es geht darum, dort aktuelle Themen, Kultur und Tradition innerjüdisch und auch mit der nichtjüdischen Mehrheitsgesellschaft zu diskutieren."

2021 kam mit Zsolt Balla der erste Militärbundesrabbiner hierzulande seit Ende des Ersten Weltkrieges ins Amt. In Schusters Zeit an der Spitze fiel ebenso der 70. Jahrestag der Gründung des Zentralrats. Im Corona-Jahr 2020 wurde Schuster, der Internist, zudem in den Deutschen Ethikrat berufen.

Kein "normales" Amt

Schuster trat 1999 in das Präsidium des Zentralrats ein, von 2010 bis 2014 war er Vizepräsident. In seine Amtszeit fiel auch die Einführung eines Antisemitismusbeauftragten der Bundesregierung. Schuster ist auch auf internationalem Parkett als Vizepräsident des Jüdischen Weltkongresses aktiv. Seine Heimatstadt Würzburg kam nicht zu kurz: 1998 übernahm er den Vorsitz der Israelitischen Kultusgemeinde Würzburg und Unterfranken, 2002 das Amt als Präsident des Landesverbandes der Israelitischen Kultusgemeinden in Bayern.

Geboren wurde Schuster am 20. März 1954 im israelischen Haifa. In der Nazi-Zeit hatte seine Familie, deren Geschichte sich in Unterfranken über mehr als 400 Jahre zurückverfolgen lässt, aus Deutschland fliehen müssen. Als sie Mitte der 1950er Jahre in die Region zurückkehrte, war Schuster zwei Jahre alt. Nach Abitur und Medizinstudium absolvierte er eine Facharztausbildung, 1988 etablierte der verheiratete Vater zweier Kinder eine eigene Praxis als Internist. Er führte sie bis 2020.

Eine bestimmte Haltung habe seinem verfolgten Vater bei der Rückkehr geholfen, sagte Schuster einmal: "Er ist nicht auf Menschen in der Überlegung zugegangen: Was hast Du vor 15 Jahren gemacht, vor 12 Jahren gemacht?" Ob das Amt des Zentralratspräsidenten jemals ein "normales" werden kann? "Ich würde es mir wünschen, aber ich glaube nicht, dass dies in absehbarer Zeit geschehen wird", so Schuster.

Knobloch und Spaenle gratulieren

Die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, Charlotte Knobloch, erklärte am Sonntagabend, mit der Wiederwahl Schusters sende das Präsidium ein klares Zeichen von Stabilität und Kontinuität aus. Gerade in der derzeitigen Lage sei Schusters Wahl die einzig richtige gewesen.

Charlotte Knobloch / © Sven Hoppe (dpa)
Charlotte Knobloch / © Sven Hoppe ( dpa )

"Die Herausforderungen für unsere Gesellschaft und für die jüdische Gemeinschaft als deren Bestandteil sind heute so groß wie nie seit 1945", sagte Knobloch. Inmitten von sozialen und politischen Spannungen und vor dem Hintergrund neuerlichen Krieges in Europa erwarteten die jüdischen Menschen in Deutschland einen Vertreter an der Spitze des Zentralrats, der sich mit Nachdruck für ihre Interessen einsetze. Schuster habe in den vergangenen acht Jahren gezeigt, "dass er diese Rolle hervorragend ausfüllt".

Bayerns Antisemitismusbeauftragter Ludwig Spaenle nannte Schuster einen "herausragenden Repräsentanten des deutschen Judentums". Er vereinige die Fähigkeit, die Anliegen und Interessen der Jüdinnen und Juden in Bayern und Deutschland auch in einer Zeit wachsenden Antisemitismus klar zu akzentuieren und zugleich durch seine außergewöhnlich ausgeprägte Dialogfähigkeit immer wieder Brücken zu seinen Gegenübern zu spannen.

"Ich habe höchsten Respekt vor seinem enormen Engagement in Würzburg, in Bayern und in Deutschland", so Spaenle." - Schuster ist zugleich Vorsitzender der Israelitischen Kultusgemeinde Würzburg und Unterfranken und Präsident des Landesverbands der Israelitischen Kultusgemeinden in Bayern.

Die Vorsitzenden und Präsidenten des Zentralrats der Juden

Seit seiner Gründung vor 70 Jahren am 19. Juli 1950 hat der Zentralrat der Juden in Deutschland bislang acht verschiedene Vorsitzende beziehungsweise Präsidenten gehabt. In den ersten Jahren leitete ein aus vier Personen bestehendes Direktorium den Zentralrat.

Es folgten die Vorsitzenden oder Präsidenten:

Heinz Galinski: 1. Amtszeit von 1954 bis 1963

Herbert Lewin: 1963 bis 1969

Werner Nachmann: 1969 bis 1988

Heinz Galinski: 2. Amtszeit von 1988 bis 1992

Ignatz Bubis: 1992 bis 1999

Paul Spiegel: 2000 bis 2006

Josef Schuster ist Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland (epd)
Josef Schuster ist Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland / ( epd )
Quelle:
KNA