Schulz macht bei SPD-Parteitag "Ehe für alle" zur Bedingung

Umjubelter Auftritt in Dortmund

Drei verlorene Landtagswahlen, miese Umfragen. Der Schulz-Zug fährt Achterbahn, auf und ab. Der SPD-Parteitag sollte die Weichen wieder neu stellen - und setzte auf besondere Signale. So auch in der Diskussion um die "Ehe für alle".

Autor/in:
Thomas Winkel und Birgit Wilke
SPD-Windrad / © Rolf Vennenbernd (dpa)
SPD-Windrad / © Rolf Vennenbernd ( dpa )

Die Farben sind kein Zufall: Martin Schulz trägt eine Krawatte in kämpferischem Karminrot, dazu ein Hemd in staatstragendem Weiß. Etwa zur Mitte seiner umjubelten Rede legt der Kanzlerkandidat sein Jackett ab. Beim SPD-Parteitag am Sonntag in Dortmund präsentiert sich Schulz als zupackender Mann aus dem Volk; seine Partei im Rücken, das Kanzleramt fest im Visier. 

Heimpiel in Dortmund

"Martin, Martin"-Rufe und knapp zehn Minuten Beifall am Ende der Rede machten klar: Zumindest bei den rund 6.500 Delegierten und Gästen ist der Schulz-Effekt nicht verrauscht - den verlorenen Landtagswahlen und miesen Umfragen zum Trotz. In der Stadt von DFB-Pokalsieger Borussia Dortmund absolvierte der rheinische Katholik, der bisweilen mit seiner Herkunft aus Würselen kokettiert, ein Heimspiel. Unter Applaus versprach er erneut "mehr Gerechtigkeit", eine innovative Zukunft und sagte Sätze wie "Es ist Zeit für ein neues Europa." Dafür, so Schulz, "will ich Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland werden".

Ehe für alle als Koalitionsbedingung

Der SPD-Chef tischte in der Westfalenhalle jedoch auch konkretere politische Botschaften auf - und machte die Öffnung der Ehe für schwule und lesbische Paare erstmals öffentlich zur Bedingung für jedwede SPD-Koalition nach der Bundestagswahl im Herbst: "Ich werde keinen Koalitionsvertrag unterschreiben, in dem die Ehe für alle nicht verankert ist." Familie sei nicht nur "Vater, Mutter, Kind", sondern dort, wo Menschen Verantwortung füreinander übernähmen.

Widerspruch katholischer Bischöfe

Ähnlich hatten sich zuvor bereits Grüne, Linke und FDP festgelegt. Mit der angestrebten Öffnung des Ehebegriffs gehen sie weit über die Position der Union hinaus - und stoßen auf Widerspruch katholischer Bischöfe. Zuletzt an diesem Wochenende wurden aus ihren Reihen die zunehmenden Rufe nach einer "Ehe für alle" kritisiert. Das bedeute einen "Bruch mit einem Jahrhunderte alten Eheverständnis", so der Berliner Erzbischof Heiner Koch, in der Bischofskonferenz für Familienfragen zuständig.

Die Delegierten freilich folgten dem Entwurf des Parteivorstands weitgehend und verabschiedeten den Text ohne Gegenstimme - mit einer Enthaltung. Die Familien- und Bildungspolitik gehört zu den Schwerpunkten des Programms. Bildung soll gebührenfrei werden, von der Kita über Ausbildung "bis zum Master und zur Meisterprüfung".

Steuerentlastung geplant

Weder Geld noch Herkunft dürften eine Rolle spielen, heißt es in dem Text. Bei Steuern und Abgaben will die SPD eigenen Angaben zufolge 80 Prozent der Menschen entlasten. "Spitzenverdiener und reiche Erben" hingegen sollen stärker finanziell herangezogen werden. Ausgeklammert wurde das von Jusos und Parteilinken forcierte Thema Vermögenssteuer.

Darum soll sich nun eine Kommission kümmern, getreu dem Motto "... dann gründ' ich einen Arbeitskreis."

Kirche und Islam

Anders als bei Grünen, Linken und AfD spielten Fragen zur Kirchensteuer und zum Verhältnis von Kirche und Staat auf dem Parteitag praktisch keine Rolle. Im Programm werden die Kirchen vor allem erwähnt bei der Würdigung des gesellschaftlichen Engagements.

Im Verhältnis zum Islam setzt die Partei auf die Zusammenarbeit mit nicht-radikalen Moscheegemeinden und Verbänden und unterstützt den islamischen Religionsunterricht in deutscher Sprache.

Bereits am Mittag hatte Altkanzler Gerhard Schröder seine Parteifreunde auf eine offensive Auseinandersetzung eingestimmt. Er schloss die mitreißende Rede mit den Worten "Auf in den Kampf!" Und fügte auf Spanisch hinzu: "Wir werden siegen."

Attacke gegen Kanzlerin Merkel

Ob sich Schulz davon angespornt fühlte, als er Kanzlerin Angela Merkel (CDU) "Arroganz der Macht" vorhielt - und ihr vorwarf, sie verweigere sich inhaltlichen Festlegungen? Mit der Kritik an Merkels Adresse, das komme einem "Anschlag auf die Demokratie" gleich, schlug der SPD-Chef eine neue Tonart an. Aber welche Zwischentöne sind stimmig im Kampf gegen eine relativ populäre Amtsinhaberin?

Nach der Abstimmung bleibt das Rednerpult verwaist zurück. "Zeit für mehr Gerechtigkeit" steht gut sichtbar darauf, in leichter weißer Schrift auf kräftigem Rot. Perfektes Zusammenspiel mit dem Outfit von Hauptredner Schulz. Nein, Zufall ist das alles nicht.


Energisch auf dem SPD-Parteitag: Martin Schulz / © Guido Kirchner (dpa)
Energisch auf dem SPD-Parteitag: Martin Schulz / © Guido Kirchner ( dpa )
Quelle:
KNA