Schulleiterin über den Sinn einer Reform der G8-Reform

"Es bringt nichts, zu G9 zurückzukehren"

Schüler sollen schon in acht Jahren zum Abitur kommen. Mit großem Aufwand wurde die "G8"-Reform umgesetzt. Jetzt wird darüber diskutiert, die Reform zu reformieren. Ingrid Schulten-Willius, Leiterin der Erzbischöflichen Liebfrauenschule in Köln.

In acht oder neun Jahren zum Abitur? (dpa)
In acht oder neun Jahren zum Abitur? / ( dpa )

domradio.de: Sie sind Schulleiterin. Welche Erfahrung haben Sie im Schulalltag mit G8?

Schulten-Willius: Wir haben die Erfahrung im Schulalltag, dass es sehr schwierig war, G8 umzusetzen, weil es eindeutig eine höhere Belastung für die Schüler darstellt, weil ja gleichzeitig mit G8 die Lehrpläne nicht entkernt worden sind. Weil alles das, was vorher oder nahezu alles das, was vorher für G9 gelernt werden musste, bei G8 erhalten geblieben ist. Von daher verstehe ich auch die Unzufriedenheit der Eltern und der Schüler.

domradio.de: Was würden Sie aus Ihrer Praxis empfehlen? Was könnte man besser machen?

Schulten-Willius: Man könnte die Lehrpläne entschlacken, das heißt einfach weniger Wissen vermitteln, mehr exemplarisch arbeiten. Das würde schon sehr viel bringen. Meiner Meinung bringt es aber nichts, zu G9 zurückzukehren.

domradio.de: Warum? Einfach aus dem bürokratischen Aufwand?

Schulten-Willius: Der bürokratische Aufwand wäre sehr groß, wir haben jetzt wirklich Jahre gebraucht, um auf G8 umzustellen. Ich weiß, dass die Arbeitgeberverbände damit argumentieren, dass dann ja irgendwann ein ganzer Abiturjahrgang ausfällt. Das ist jetzt für uns nicht so die Frage. Aber wenn man zu G9 zurückkehrt, dann darf man sich ja nicht vormachen, dass das das G9 wäre, was wir vor Jahren hatten. Denn der Ganztag ist ja politisch gewollt und der Ganztag wird ja auch erhalten bleiben.

domradio.de: Einige Bundesländer denken ja zum Beispiel darüber nach, Hessen wäre das Beispiel, die Wahlmöglichkeit anzubieten, dass sich die Eltern oder die Schüler überlegen können, ob sie acht oder neun Jahre bis zum Abitur brauchen wollen. Was halten Sie davon?

Schulten-Willius: Wir haben hier in Nordrhein-Westfalen ja momentan eigentlich eine Wahlmöglichkeit, weil sie an den Gesamtschulen ja weiterhin G9 haben. Wir haben auch einige Schulen, die sich dafür entschieden haben, an der Schule G8 und G9 anzubieten. Das sind aber sehr wenige, weil das eben aus organisatorischen Gründen auch ganz schwierig ist. Das halte ich für eine komplizierte Lösung.

domradio.de: Dann lassen Sie mich noch fragen, wenn Sie die Elternverbände verstehen können mit ihren Sorgen beim achtjährigen Abitur, aber gleichzeitig auch dafür plädieren, das G8 beizubehalten; wie würde Ihrer Meinung nach denn die Lösung aussehen können?

Schulten-Willius: Ich würde gerne noch eine Sache korrigieren. Es geht ja nicht um die Elternverbände. Die Landeselternschaft, der Elternverband sagt ja ganz deutlich, wir wollen bei G8 bleiben. Es gibt zwei Initiativen von Eltern, die das möchten, dass man zu G9 zurückkehrt. Ich glaube wirklich, dass man die Eltern dahingehend beruhigen könnte, wenn die Kinder weniger Stoff haben, den sie lernen müssen, dass man doch bei G8 bleiben kann und dass dann die Eltern, zumindest die Elternverbände auf alle Fälle schon mal, aber viele Eltern auch beruhigt sind. Ich meine bei uns an der Schule auch bemerken zu können, dass einfach jetzt auch mehr Ruhe einkehrt. Die Aufregung war sehr groß mit der Umstellung auf G8, es gab auch viele Schwierigkeiten, aber jetzt ist eine Ruhe eingekehrt und ich würde das ungern - und spreche, glaub ich, nicht nur für mich, sondern auch für meine Schulleiterkollegen und auch für meine Kollegen hier an der Schule - wir würden ungern den ganzen Prozess jetzt wieder aufrollen und zurückrollen.

domradio.de: Heißt das, auch bei den Schülern selbst hat sich so eine Beruhigung eingestellt, so eine Akzeptanz oder Gewöhnung?

Schulten-Willius: Ja. Das kann man ganz deutlich sehen.

Das Gespräch führte Matthias Friebe.


Quelle:
DR