Ein mitreißendes Lachen erklingt im neuen Ukrainisch-Unterricht am Gymnasium im hessischen Eltville am Rhein. Es ist eine der Schulen, die seit diesem Schuljahr Ukrainisch als zweite Fremdsprache anbietet. Hessen wendet sich mit einem wohl bundesweit einmaligen Pilotprojekt an rund 20.000 Schülerinnen und Schüler aus der Ukraine, die laut Landesregierung nach Hessen geflüchtet sind und dort zur Schule gehen. Mehr als 300 ukrainische Lehrkräfte unterrichteten 2024 an hessischen Schulen.
Eine von ihnen ist Vira Humeniak aus der ukrainischen Großstadt Charkiw, unweit der Grenze zu Russland. Vor dem Überfall der russischen Armee im Februar 2022 war sie Dozentin an der Nationalen Karasin-Universität Charkiw, erklärt sie im Gespräch mit der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Kurz darauf gelang es ihr, mit der Familie zu flüchten, später kam sie nach Hessen. Bald drei Jahre ist das nun her - fast so lange dauert der Krieg in ihrer Heimat mit zahlreichen Toten auf beiden Seiten inzwischen an.
Raketen-Angriff zum Weihnachtsfest
Auch am ersten Weihnachtsfeiertag 2024 gab es wieder Nachrichten über russischen Raketenbeschuss in Charkiw. Ein Zufall war dieses Datum wahrscheinlich nicht. "Wir feiern Weihnachten als Familie jetzt im Dezember", berichtet die Lehrerin. 2023 hat die Ukraine die Weihnachtsfeiern an die westlichen Nachbarn angepasst und vorverlegt.
Statt in der Nacht vom 6. auf den 7. Januar, wie es der julianische Kalender vorsieht, der auch in der russisch-orthodoxen Kirche gilt, feierten Ukrainer Weihnachten 2024 also am 25. Dezember. Auch geflüchtete Menschen orientieren sich daran. So wie die Mitglieder der ukrainischen Gemeinschaft in Hessen.
Eltville zieht ukrainische Schüler an
Schulleiter Jochen Kleinschmidt freut sich besonders über eine Sache: "Diese Kinder lachen wieder miteinander." Das sei etwas, das ihn berühre. Er selbst verstehe zwar kein Ukrainisch, biete an seiner Schule jedoch Mädchen und Jungen aus Wiesbaden, Taunusstein, Bad Schwalbach und Eltville Unterricht in ihrer Sprache an. Sie kommen von Oberschulen ebenso wie Gesamtschulen oder Gymnasien.
Seit Mitte 2022 gibt es an der Schule mit Schwerpunkt auf Sprachen bereits ein ukrainisches Ergänzungsangebot für geflüchtete Kinder. "Jetzt sind wir einen Schritt weiter gegangen - ab diesem Schuljahr bieten wir vier Stunden pro Woche Ukrainisch als Zweitsprache an", erklärt der 42-jährige Schulleiter im beschaulichen Eltville am Rhein - gegenüber von Rheinland-Pfalz gelegen.
Trotz Krieg die eigene Sprache lernen
Schwerpunkt einer Ukrainisch-Doppelstunde im Winter sind Wortstamm-Aufgaben. Gelernt werden die Grundformen der ukrainischen Verben "lesen", "schreiben", "hören". 13 Kursteilnehmer verfolgen auf einem großen Bildschirm aufmerksam die entsprechenden Ausführungen ihrer Lehrerin.
Dann üben sie die Konjugation von Verben - nichts Ungewöhnliches, außer dass Ukrainisch im deutschen Bildungssystem bislang kein Schwerpunkt ist. "Insgesamt unterrichte ich an dieser Schule 32 Mädchen und Jungen", berichtet die 43-jährige Lehrerin.
Hessenweit 16 Standorte für Ukrainisch
Auch Schulkinder, die nicht aus der Ukraine kommen, können das Angebot wählen. "In einer Pilotphase ist es nicht ungewöhnlich, dass wir zunächst mit Muttersprachlern anfangen", erläutert Schulleiter Kleinschmidt. Landesweit verzeichnete Hessen im vergangenen Jahr 2024 fast 200 Anmeldungen für dem Ukrainisch-Unterricht.
Ukrainisch als reguläre zweite Fremdsprache kann nun an 16 Standorten gelernt werden - etwa in Frankfurt, Kassel und Hanau. Jungen Menschen aus dem osteuropäischen Kriegsland sollen damit gute Perspektiven für Schulabschlüsse gegeben werden.
Bildung für Kinder, Fachkräfte fürs Land
Zudem möchte Hessen so Lehrkräfte gewinnen, die dann auch in anderen Fächern unterrichten könnten. Der zuständige Minister, Armin Schwarz, verschaffte sich bereits im September im Johanneum-Gymnasium in Herborn einen unmittelbaren Eindruck - gemeinsam mit dem ukrainischen Generalkonsul Vadym Kostiuk.
"Wir senden mit der Einführung von Ukrainisch als zweite Fremdsprache auch ein klares Zeichen der Freundschaft an die Ukrainerinnen und Ukrainer, die seit Beginn des russischen Angriffskriegs so viel durchleiden müssen", betonte CDU-Minister Schwarz.
Slawische Sprachen an deutschen Schulen
Dass an deutschen Schulen eine slawische Sprache unterrichtet wird, klingt ungewöhnlicher, als es ist. So heißt es im Bildungsserver Berlin-Brandenburg: "Für das Fach Sorbisch/Wendisch gilt der Rahmenlehrplan für moderne Fremdsprachen." Auch für Polnisch gibt es dort Angebote, Ähnliches gilt für andere Länder - wie etwa Hessen.
Zudem war Russisch bis zur deutschen Wiedervereinigung als erste Fremdsprache verpflichtend in der ehemaligen DDR. Eine Sprache, die bis vor wenigen Jahren auch für Millionen Menschen in der Ukraine ihre erste Sprache im normalen Alltag gewesen ist. Heute lehnen viele von ihnen das Russische ab - und lernen lieber Ukrainisch.