Schock-Werner kritisiert Kölner Umgang mit Dom-Umgebung

"Diese Unordnung ist doch unzumutbar"

Beißender Uringestank, beschädigte Fahrstühle und zerstörte Bierflaschen schädigen das Kölner Stadtbild. Die Präsidentin des Zentraldombauvereins, Barbara Schock-Werner, spricht schon seit Jahren über die Verwahrlosung der Stadt Köln.

Symbolbild Umgebung vor dem Kölner Dom / © Rolf G Wackenberg (shutterstock)
Symbolbild Umgebung vor dem Kölner Dom / © Rolf G Wackenberg ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Köln hat ein Sauberkeitsproblem. Auch die scheidende Oberbürgermeistern Henriette Reker spricht von einer Verwahrlosung der Stadt. Das hat eine große Debatte ausgelöst. Wie erleben Sie die Stadt und das Domumfeld zurzeit?

Prof. Barbara Schock-Werner (Präsidentin des Zentraldombauvereins und ehemalige Kölner Dombaumeisterin): Ich muss der Oberbürgermeisterin recht geben, die Verwahrlosung in dieser Stadt nimmt zu. Es gibt mehr Müll. Es bleibt mal ein Bauzaun stehen, und das für drei Wochen.

Barbara Schock-Werner / © Julia Steinbrecht (KNA)
Barbara Schock-Werner / © Julia Steinbrecht ( KNA )

Die Verwahrlosung ist sicher ein soziales Problem. Es ist aber auch, was mich zunehmend stört, ein gestalterisches Problem. Versetzen wir uns in die Situation, wenn man aus dem Bahnhof kommt. Der Bahnhofsvorplatz ist an sich sehr schön. Dann kommt die Treppe hoch zum Dom, die zu einem Sitz- und Tummelplatz geworden ist. Soweit so schön. 

Wenn man aber nicht die Treppe hoch geht, sondern rechts abbiegt, weil man einen Rollkoffer dabei hat, dann trifft man auf ein Fahrrad-Chaos mit liegenden und stehenden Rollern gemischt. Das zieht sich in die ganze Straße. Vor dem Hotel Excelsior stehen bis zu 14 Autos, obwohl sie da nichts zu suchen haben. 

Barbara Schock-Werner

"Wenn es schon nicht so schön aussieht, dann benehmen sich die Menschen auch nicht schön." 

An den K-Kennzeichen kann man sehen, dass das keine Hotelgäste sind. Ein Ratsmitglied hat mal gesagt: 'Wieso? Ich stelle mein Auto immer da ab. Das ist der einzige Parkplatz in der Innenstadt, der nichts kostet.' 

Bis zum WDR rauf wechseln fünfmal die Bodenbeläge. Mal ist es gepflastert, mal sind es Platten, mal ist es Asphalt. Das alles trägt zum Chaos bei. Wenn es schon nicht so schön aussieht, dann benehmen sich die Menschen auch nicht schön. 

DOMRADIO.DE: Nun sagt aber die Oberbürgermeisterin, sie sei gegen die zerstrittene Politik und die frei drehende Verwaltung machtlos. Das ist ein Offenbarungseid, schreibt auch der Stadtanzeiger. Wie sehen Sie das?

Schock-Werner: In gewisser Weise hat sie recht. Sie kann keine direkten Direktiven geben. Sie hätte aber schon längst die Richtung vorgeben können. Dass die Kölner Verwaltung nicht die effektivste ist, sagen wir es mal ganz vorsichtig, das weiß nun jeder. Das ist einfach so. 

Bahnhofvorplatz in Köln / © vvoe (shutterstock)

Wenn man das wieder trennen würde mit einem Verwaltungschef und einem Verwaltungsjuristen, der in die Strukturen eingreift, dann wäre dieser Teil schon zu ändern. Das Problem ist dieses Laissez-faire-Verhalten. 

Die Umgebung beim Neumarkt ist ein weiteres Beispiel. Ich fahre viel KVB und steige oft um. Vor den eigenen Augen wird dort gedealt. Die Dealer verstecken sich gar nicht mehr, das ist offensichtlich. Auf den Plätzen, die für behinderte und ältere Menschen in der Haltestelle vorgesehen sind, sitzen fragwürdige Gestalten und da will man sich auch nicht daneben setzen. 

DOMRADIO.DE: Aber nun gibt es doch einen Masterplan Sauberkeit. Der scheint aber nicht so richtig zu greifen.

Schock-Werner: Es gibt sogar eine neue Stelle. Aber eigentlich müsste die Person mindestens dreimal die Woche diese Umgebungen abgehen und den ganzen Kram melden. Die Person sollte auch die Befugnis haben, das sofort abzustellen. Ich habe mal unvorsichtig das Wort "Blockwart" benutzt. Das wurde mir sofort um die Ohren gehauen, aber gemeint war jemand, der wirklich vor Ort ist und diese Missstände sofort meldet. 

Barbara Schock-Werner

"Es sind nicht die wirklich Bedürftigen, die da sitzen."

DOMRADIO.DE: Was halten Sie davon, das gesamte Domumfeld zur Schutzzone zu erklären? Da heißt es, dafür gäbe es in Köln unter den Ratsparteien keine Einigkeit. 

Schock-Werner: Natürlich wäre das gut. Ich sage jetzt keinen Namen, aber es gibt eine Partei, die das aus einem unrealistischen Gutmenschentum verhindert. Es wird gesagt, die Bettler vorm Dom, die gab es schon immer. Das stimmt, aber in der Gegenwart gilt das erst recht: Es sind nicht die wirklich Bedürftigen, die da sitzen. Ich war dort 13 Jahre lang tätig. Ich habe das tagtäglich miterlebt. 

Sie erleben dort Geschichten, die will ich hier gar nicht erzählen. Ich kann nur sagen: Leute, stützt die Organisationen, die sich um Obdachlose kümmern. Aber das sind professionelle Gruppen, die da unterwegs sind. Jeden Morgen werden Frauen an der Komödienstraße ausgeladen und die sitzen dann da. Abends werden sie wieder eingesammelt. Natürlich tun sie mir leid.

Aber man muss sich klar sein, je mehr die heimbringen, desto öfters werden sie in die Kälte rausgejagt. Wenn sich dieser Wirtschaftszweig nicht mehr lohnt, dann müssen auch die armen Frauen nicht in die Kälte raus.

Umfeld des Kölner Doms / © Susanna Laux (DR)
Umfeld des Kölner Doms / © Susanna Laux ( DR )

DOMRADIO.DE: Eine Schutzzone um den Dom wäre demnach sinnvoll?

Schock-Werner: Eine Schutzzone wäre sinnvoll, sowie ein Aufräumen und bessere Gestaltung dieses Entree in die Stadt. Das Entree zum Welterbe Dom soll endlich auch optisch einladend wirken.

Barbara Schock-Werner

"Diese Unordnung, das ist doch unzumutbar."

DOMRADIO.DE: Warum nimmt man sich nicht andere Städte zum Vorbild? In München oder auch Zürich scheint es Konzepte zur Sauberkeit in der Stadt zu geben, die die Städte auch sauber halten.

Schock-Werner: Das ist die große Frage. Es ist halt die Kölner Verwaltung. Die machen auch Reisen nach Kopenhagen oder Amsterdam, um zu sehen, wie geht man damit um, nur umgesetzt wird es hier nicht. Das finde ich doch sehr bedauerlich. Denn Köln ist eine Touristenstadt. Viele Fremde kommen aus dem Bahnhof, und stehen vor diesem Chaos. Diese Unordnung, das ist doch unzumutbar.

DOMRADIO.DE: Vieles lässt sich nur langfristig ändern. Wenn Sie die Beschaffenheit dieses Flickwerk allein betrachten, wenn man den Boden dort anschaut und andere Dinge, was lässt sich konkret ändern?

Schock-Werner: Ganz am Anfang gab es die Idee, einen Teil der Tiefgarage als Fahrradparkhaus umzuwidmen. Das ist doch ideal. Die Leute können ihre Fahrräder dort abstellen. Da gab es dann einen Aufschrei der Autofahrer, aber so viele Fahrräder gibt es in der ganzen Stadt nicht. Wenn man nur einen Teil verwendet und dafür auf dem anderen Bereich Fahrrad-Abstellverbote ausspricht, das wäre mal ein erster Schritt. Dann sieht das schon mal ordentlicher aus.

Barbara Schock-Werner

 "Es gibt viel zu tun. Man sollte es endlich anfangen." 

DOMRADIO.DE: Dazu kommt aber auch, das zurzeit am Dom direkt gebaut wird.

Schock-Werner: Ich glaube die Baustelle direkt am Dom hängt gerade mit der neuen Dombeleuchtung zusammen. Das sollte bald schon beendet sein. Es gibt viel zu tun. Man sollte es endlich anfangen. Denn die Sanierung dieses Gebiets ist uralt. Da war ich noch im Amt und das ist jetzt schon sehr lange her. Dann hieß es, vor der Fußball-Europameisterschaft können wir das nicht mehr machen, aber die ist jetzt auch schon eine Weile her.

Umfeld des Kölner Doms / © Susanna Laux (DR)
Umfeld des Kölner Doms / © Susanna Laux ( DR )

DOMRADIO.DE: Wenn wir auf die Baustellen, Domhotel, den Roncalliplatz und die Museen gucken, sieht es ähnlich aus.

Schock-Werner: Eins hat sich immerhin gebessert: die Bauzaun-Gestaltung in der Innenstadt. Da ist das Domhotel beispielhaft vorangegangen. Die ist wenigstens besser geworden. Aber wie gesagt, jemand, der diesen Bereich täglich abschreitet und guckt, wo ist grad ein Umstand, der schnell geändert werden kann, das würde ich mir schon sehr wünschen und das täte der Stadt gut.

Das Interview führte Johannes Schröer.

Barbara Schock-Werner

Barbara Schock-Werner wurde 1947 in Stuttgart in einer schwäbischen Handwerkerfamilie geboren.

Schock-Werner absolvierte nach der Mittleren Reife an der Mädchenmittelschule zunächst eine Lehre als Bauzeichnerin sowie ein Zimmermanns- und ein Maurer-Praktikum. Ab 1967 studierte sie an der Staatlichen Ingenieurschule für das Bauwesen in Stuttgart Architektur.

Architektin Barbara Schock-Werner / © Julia Steinbrecht (KNA)
Architektin Barbara Schock-Werner / © Julia Steinbrecht ( KNA )
Quelle:
DR

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