DOMRADIO.DE: Von wem kamen diese Karten und was stand da drauf?
Andrea Heinz (Mitglied des Ortsausschusses in Liebfrauen Solingen-Löhdorf): Die Karten sind im Prinzip eine Aktion der vier Ortsausschüsse in St. Sebastian Solingen, die damit den Gemeindemitgliedern die Möglichkeit geben wollten, sich selber zu äußern, ihre Meinung zu Kirche im Jahr 2021. Die Karte ist rot und die Aussage: Es ist 5 nach 12! Bistumsleitung, so nicht! Wir wollen euch jetzt mal sagen, was wir denken.
Auf der Front der Karte haben wir einige Hashtags aufgedruckt, zum Beispiel "Verantwortung übernehmen jetzt", im Zusammenhang mit dem Missbrauchsskandal und der Aufarbeitung der Missbrauchsfälle aber auch durchaus Dinge, die damit nichts zu tun haben, wie "Nehmt die Wirklichkeit ernst! Schaut, was uns an der Basis bewegt" und "Glaubenleben im Heute. Kirche muss sich wandeln an heutige gesellschaftliche Strukturen, um Menschen anzusprechen" und ähnliche Dinge.
Wir haben dann den Gemeindemitgliedern gesagt, ihr könnt einfach auf der Rückseite eine Unterschrift leisten und bestätigt damit die von uns überlegten Hashtags. Ihr könnt aber auch selber tätig werden und sagen, was euch auf der Seele brennt. Davon ist reichlich Gebrauch gemacht worden.
DOMRADIO.DE: Wie sind Sie auf diese Idee gekommen? Das haben Sie nicht alleine auf die Beine gestellt, oder?
Heinz: Nein, zur Gemeinde Sankt Sebastian gehören vier Kirchorte. Und aus allen vier Kirchorten waren die Ortsausschüsse an der Planung dieser Aktion beteiligt. Vorangegangen war dem Ganzen, dass der Pfarrgemeinderat und der Kirchenvorstand bereits Briefe an die Bistumsleitung geschrieben hatten, das auch in der Gemeinde bekannt war, aber man im Austausch, wenn man denn mal in dieser Zeit Menschen begegnet ist, gemerkt hat, das finden die gut, aber eigentlich wollen sie noch selber sagen, was Sache ist und was sie bewegt.
DOMRADIO.DE: Man wirft der Kirche ja sehr oft vor, dass sie Vorschläge der Gläubigen nicht immer so mitbekommt und auch nicht hört. Haben Sie durch diese Aktion jetzt das Gefühl, ja tatsächlich auch gehört zu werden?
Heinz: Gehört zu werden - diese Hoffnung besteht natürlich. Wir haben diese Karte ja im Generalvikariat übergeben. Es ist uns auch zugesichert worden und mittlerweile auch per E-Mail bestätigt worden, dass sie gelesen wurden. Von daher ist es zumindest erst mal irgendwo angekommen.
Aber das alleinige Lesen, finde ich, macht es ja nicht aus, sondern wichtig wäre es ja jetzt, in Diskurs darüber zu gehen und in den Austausch und zu überlegen "Oh, in Solingen sieht es so aus, vielleicht sieht es in den anderen Gemeinden auch so aus. Und was kann das für uns heißen? Und was muss sich vielleicht ändern? Und in welchem Zeitraum kann es sich ändern? Denn ich glaube, es ist uns klar, dass sich nicht von heute auf morgen etwas ändern wird."
DOMRADIO.DE: Was erwarten Sie denn noch ganz konkret an Reaktionen?
Heinz: Ich erwarte den Austausch und Transparenz in sämtlichen weiteren Schritten, alle Themen betreffend. Nicht nur den Missbrauch betreffend eine transparentere und offenere Kommunikation. Und Schluss mit diesem Obrigkeitsdenken. Kirche ist eine Hierarchie, das weiß ich. Es gibt auch im Rahmen der Kirche Verbände und Vereine, die tatsächlich noch sehr hierarchisch organisiert sind.
Und trotzdem hat man, wenn man drauf schaut, immer so ein bisschen den Eindruck, die sind aber bei aller Hierarchie trotzdem noch offener mit den Menschen, denen sie begegnen, als es der Kirchenapparat des Erzbistums ist.
Das Interview führte Carsten Döpp.
