Schlimme Zustände für osteuropäische Pflegekräfte

Rechtliche Grauzone

Zum "Tag der Pflege" prangern Experten die Arbeitsbedingungen osteuropäischer Pflegekräfte an: viel Arbeit, kein Urlaub, wenig Geld. Doch Pflegebedürftige und ihre Familien stehen oft mit dem Rücken zur Wand.

Autor/in:
Christoph Arens
Experten fordern bessere Arbeitsbedingungen für ausländische Pflegekräfte / © Tom Weller (dpa)
Experten fordern bessere Arbeitsbedingungen für ausländische Pflegekräfte / © Tom Weller ( dpa )

Neu ist das nicht: Seit Jahren wissen Politik und Öffentlichkeit, dass die Pflege hilfsbedürftiger Menschen in ihren eigenen vier Wänden häufig nur deshalb funktioniert, weil Zehntausende Menschen aus Osteuropa aushelfen - unter oft fragwürdigen Bedingungen.

Symbolbild Häusliche Pflege / © BlurryMe (shutterstock)
Symbolbild Häusliche Pflege / © BlurryMe ( shutterstock )

Zum "Tag der Pflege" an diesem Freitag legen Pflegeverbände noch einmal den Finger in die Wunde: Der Deutsche Caritasverband, das Deutsche Institut für Menschenrechte und der Sozialverband VdK fordern die Bundesregierung auf, die Situation dieser Haushaltshelferinnen endlich zu verbessern - wie es im Koalitionsvertrag steht. Nach Schätzungen von Beratungsstellen arbeiten zwischen 300.000 bis 700.000 solcher Betreuungskräfte in Privathaushalten in Deutschland - meist Frauen aus Polen, Bulgarien und Rumänien.

"Systematischer Rechtsbruch"

Die Gewerkschaft Verdi spricht von systematischem Rechtsbruch, andere Kritiker von bewusstem Wegschauen. "Die Politik hat ihr Versprechen nach fairen gesetzlichen Rahmenbedingungen für diese sogenannte 24-Stunden-Pflege bisher nicht eingelöst, auch der aktuelle Vorschlag für eine Pflegereform liefert keine Antworten", kritisierte der Caritasverband am Montag in Berlin. 

Das Deutsche Institut für Menschenrechte sprach kürzlich von "teilweise menschenunwürdigen Bedingungen". Die Pflegekräfte erlebten häufig starke Überlastung und teilweise auch körperliche sowie sexualisierte Gewalt. Wegen fehlender Sprachkenntnisse, irregulärer Beschäftigung und mangelnden Informations- und Beratungsangeboten falle es ihnen schwer, sich zu wehren. Viele müssten rund um die Uhr zur Verfügung stehen und hätten kaum Privatsphäre. Meist arbeiten sie zwei oder drei Monate am Stück; danach geht es zurück in die Heimat.

Vergütung oft unter Mindestlohn

Laut einer Studie des Instituts verdienen Betroffene meist deutlich weniger als den Mindestlohn - und das, obwohl das Bundesarbeitsgericht im Sommer 2021 entscheiden hatte, dass sie ein Anrecht auf Mindestlohn haben - sogar für die Bereitschaftszeiten. Das Institut forderte, die Politik müsse darauf hinwirken, dass eine direkte Anstellung in Privathaushalten erleichtert wird. Darüber hinaus brauche es verbindliche Qualitätsstandards für Vermittlungsagenturen sowie effektive Beschwerdemöglichkeiten und Beratungsangebote.

Pflege darf nicht zum Luxusgut werden / © Harald Oppitz (KNA)
Pflege darf nicht zum Luxusgut werden / © Harald Oppitz ( KNA )

Rund 5 Millionen Pflegebedürftige gibt es in Deutschland, Tendenz steigend. 4,2 Millionen werden zu Hause betreut. Die Verbraucherzentralen betonen, dass eine 24-Stunden-Betreuung durch eine einzige Person legal gar nicht möglich sei. Die tägliche Arbeitszeit darf durchschnittlich nicht mehr als 8 Stunden betragen, die Wochenarbeitszeit 48 Stunden nicht überschreiten. Dazu kommen Urlaubsansprüche.

Mehrere Modelle möglich

Experten verweisen auf mehrere Modelle, ausländische Betreuungskräfte legal zu beschäftigen: Wer selbst als Arbeitgeber auftritt, muss deutsches Arbeitsrecht beachten und Mindestlohn bezahlen. Zusätzlich fallen die Arbeitgeberbeiträge zu den Sozialversicherungen an. Das kostet mindestens 3.000 Euro pro Monat.

Wenn man stattdessen einen ausländischen Dienstleister beauftragt, entfallen die Arbeitgeberpflichten. Allerdings muss das Unternehmen für die Arbeitnehmer in deren Heimatland Abgaben zahlen. Hinzu kommen Gebühren der Vermittlungsagentur. Unter 2.000 Euro geht auch das nicht.

Alternatives Konzept "CariFair"

Ein alternatives Konzept für eine legale Beschäftigung hat die Caritas im Erzbistum Paderborn seit 2010 entwickelt. Beim Projekt "CariFair" übernimmt die Caritas die Vermittlung einer Betreuerin. Sie wird von dem Pflegebedürftigen oder seinen Angehörigen mit einem legalen Arbeitsvertrag angestellt – samt einer Bezahlung zum Mindestlohn oder darüber hinaus und Urlaubsansprüchen. 

Statt Rund-um-die-Uhr-Betreuung gibt es dann einen Mix aus häuslicher und ambulanter Pflege, Familien- und Nachbarschaftshilfe. Die Betreuungszeiten und die Pflegeleistungen, die die Betreuungskraft nicht abdecken kann, werden von anderen Pflege-Anbietern übernommen, etwa der Caritas-Sozialstation, der Tages- oder Kurzzeitpflege. Die monatlichen Kosten belaufen sich für die Betreuungskraft auf 2.600 Euro Brutto Personalkosten und 180 Euro monatlich für die Betreuung durch die Koordinatorin und die Personalabrechnung.

Caritas Deutschland

Der Deutsche Caritasverband (DCV) ist der größte Wohlfahrtsverband Europas. Die Dachorganisation katholischer Sozialeinrichtungen setzt sich für Menschen in Not ein. Mit rund 690.000 hauptamtlichen Mitarbeitern - 80 Prozent sind Frauen - ist die Caritas zudem der größte private Arbeitgeber in Deutschland. Der Begriff "caritas" stammt aus dem Lateinischen und bedeutet Nächstenliebe. Sitz des 1897 gegründeten Verbands ist Freiburg. Wichtige Bedeutung haben die Büros in Berlin und Brüssel.

Hinweisschild der Caritas / © Michael Althaus (KNA)
Hinweisschild der Caritas / © Michael Althaus ( KNA )
Quelle:
KNA