Schlagerausstellung im Haus der Geschichte

"Melodien für Millionen"

"Wolle" Petry über "Hölle, Hölle, Hölle", Jürgen Drews und sein Bett im Kornfeld, das "rote Pferd" - der deutsche Schlager war nicht immer ein wenig oberflächlich und manchmal peinlich. Das beweist die Ausstellung "Melodien für Millionen. Das Jahrhundert des Schlagers", die ab heute das Haus der Geschichte in Bonn präsentiert.

Autor/in:
Claudia Rometsch
 (DR)

"Ich weiß, es wird einmal ein Wunder geschehen", schmettert die tiefe Stimme Zarah Leanders. Es gibt kaum jemanden, der dieses Lied nicht kennt. Viele verbinden es mit einer hoffnungsvollen oder sehnsüchtigen Stimmung. Doch erst im Bonner Haus der Geschichte wird vielen Besuchern klar, was es mit diesem Lied aus dem Film "Die große Liebe" ursprünglich auf sich hatte: Die Nationalsozialisten bedienten sich dieses und anderer Schlager, um vom Kriegsgeschehen abzulenken.

"Der Schlager ist nicht so oberflächlich, wie wir dachten", sagt der Leiter des Hauses der Geschichte, Hans Walter Hütter. "Oft steckt eine tiefe Bedeutung dahinter, die politische und soziale Entwicklungen widerspiegelt." Grund genug, um diesem Musik-Genre eine Ausstellung zu widmen.

"Der Schlager atmet Zeitgeist. Er ist ein Seismograf für das politische und gesellschaftliche Leben", sagt Hütter. Das lässt sich in der Ausstellung nicht nur sehen, sondern vor allem auch hören. An Plattentischen mit virtuellen Covern können die Besucher insgesamt 800 Schlager von der Weimarer Republik bis in die Gegenwart auswählen und anhören. Die Ausstellungsmacher haben sie teilweise in mühevoller Kleinarbeit und mit Hilfe von Sammlern zusammengetragen. Im Museumskino sind Ausschnitte ausgewählter Musikfilme zu sehen.

Insgesamt 1.500 Exponate
Die Ausstellung präsentiert die Entwicklung des Schlagers auf Bühnen, die für bestimmte Zeitabschnitte stehen. Auf der Vorderseite können die Besucher die Schlager der jeweiligen Zeit anhören. Insgesamt 1.500 Exponate geben einen Eindruck vom Stil und Lebensgefühl der jeweiligen Epoche, darunter der gläserne Flügel von Udo Jürgens, Bühnenbekleidung von Zarah Leander oder die Gitarre von Grand-Prix-Siegerin Nicole. Die Glamourwelt der Schlagerstars wird eingebettet in den gesellschaftlichen und politischen Kontext ein, der auf der Rückseite der einzelnen Bühnen dokumentiert wird.

"Die Ausstellung bietet einen Gang durch die Geschichte und veranschaulicht dabei die Wechselwirkung von Gesellschaft, Kommerz und Schlager", erklärt der Historiker und Projektleiter Hanno Sowade. Den Anfang der Ausstellung macht die Entstehung der Schlager in der Zeit der Weimarer Republik. Die Erfindung des Grammofons und des Radios machen die Verbreitung populärer Lieder erst möglich. Schlager wie das "Glühwürmchen-Idyll" oder das "Gauner-Duett" machten die Runde. Die Nationalsozialisten machten sich die Popularität von Schlagerstars wie Zarah Leander, Hans Albers oder Ilse Werner zunutze, um die Bevölkerung auch in Kriegszeiten bei Laune zu halten.

Eine eigene Bühne ist dem Schlager in der DDR gewidmet. Nach dem Zweiten Weltkrieg entwickelt sich die populäre Musik in Ost- und Westdeutschland unterschiedlich. Die SED versucht, die Schlager aus dem Westen zurückzudrängen, und eigene Stars aufzubauen. Der Erfolg blieb mäßig. Die DDR-Bürger bevorzugten die Musik aus der Bundesrepublik.

Die Blütezeit des Schlagers - die 70er Jahre
Besondere Aufmerksamkeit widmet die Ausstellung der Blütezeit des Schlagers, den 70er Jahren. Dafür wurde eigens eine begehbare Zuschauertribüne gebaut, die den Kulissen der ZDF-Hitparade mit Dieter Thomas Heck nachempfunden wurde. Auf vier Bildschirmen können die Besucher ausgewählte Ausschnitte aus der Kultsendung des deutschen Schlagers verfolgen, wie zum Beispiel Juliane Werding mit "Am Tag als Conny Kramer starb", oder Christian Anders' "Es fährt ein Zug nach nirgendwo".

"Schlager sind etwas, was nahezu jeden Menschen anspricht", stellt Hütter fest. Ein Indiz dafür ist das Revival des Schlagers in den 90er Jahren mit Stars wie Guildo Horn oder Dieter Thomas Kuhn. Aktuelle Ausschnitte aus Konzerten von Udo Jürgens, Andrea Berg oder Wolfgang Petry zeigen am Ende der Ausstellung, dass der Schlager bis heute lebt. Denn, so ist zu sehen, im Publikum sitzen nicht nur ältere Menschen, sondern auch Jugendliche oder Kinder.

Und auch die Besucher der Ausstellung haben ihre Hits. Das lässt sich an einer elektronischen Chart-Liste am Ausgang verfolgen. Dort wird angezeigt, welche Titel an den digitalen Plattentischen am häufigsten abgespielt werden.

Die Ausstellung ist von Freitag an bis zum 5. Oktober immer dienstags bis sonntags von 9 bis 19 Uhr geöffnet.