Schavan kritisiert "Kirche der Männer"

Rolle der Frauen stärken

Annette Schavan, CDU-Bundesbildungsministerin und ehemalige Vizepräsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), drängt auf eine stärkere Rolle von Frauen in der katholischen Kirche. Ohne Frauen sei das Gemeindeleben in Deutschland nicht vorstellbar. Zugleich sei die Kirche auf der Ebene von Amt und Leitung «eine Kirche der Männer», betont Schavan in dem Interviewbuch «Gott ist größer, als wir glauben».

 (DR)

Das Buch wird am Mittwoch in Berlin vorgestellt. Darin kritisiert Schavan die Kirchenführung als zu ängstlich im Umgang mit dem Thema. Diese "Diskrepanz" führt nach ihrem Eindruck zu einem stark zunehmenden Entfremdungsprozess zwischen den Frauen und der Kirche "und längst auch zwischen den Gläubigen und der Kirche". Daran änderten auch "vereinzelte Ordinariatsrätinnen und wenige Theologieprofessorinnen" augenscheinlich nichts. So sei die Zahl der Theologiestudentinnen seit langem rückläufig. "Frauen haben in der Kirche kaum Berufsperspektiven", bemängelt Schavan.



"Mehr Demut im Umgang mit dem Scheitern anderer"

Die Kirche verzichte auf einen wirksamen Einsatz der Charismen der Frauen, ihrer besonderen geistlichen Begabung. Damit beschleunige sich der Erosionsprozess von Kirche. Dabei wollten Theologinnen nicht, "- wie ihnen oft vorgeworfen wird - den Zugang zum Amt, wie es heute existiert". Vielmehr sprächen sie von einer Weiterentwicklung der Theologie des Amtes. Aber schon die Forderung nach einer ergebnisorientierten Debatte wecke Ängste. "Ich vermag nicht zu erkennen, dass sich daran in absehbarer Zeit etwas ändert", erklärt die Ministerin. Die Kirche lebe zu sehr mit der Befürchtung, dass hinter den Forderungen der Frauen modernistische Tendenzen stünden.



Im Zusammenhang mit dem Missbrauchsskandal mahnt die CDU-Politikerin die Kirche zu "mehr Demut im Umgang mit dem Scheitern anderer" und zur strikten Verpflichtung auf Wahrhaftigkeit. Der Schaden, den die Skandale nach sich zögen, sei groß, "und es wird lange dauern, bis die Kirche ihre Glaubwürdigkeit wiedergewinnt". Dialogunfähigkeit habe zu schlimmeren Auswüchsen geführt, als sie sich das in ihrer Zeit als ZdK-Vizepräsidentin bis 2005 habe vorstellen können. Der Missbrauchsskandal und "Verfehlungen von Amtsträgern bis hin zum Rücktritt" des Augsburger Bischofs Walter Mixa seien auch Ausdruck von falsch verstandener Autorität, von Selbstgerechtigkeit und unterdrückter Kommunikation, so die CDU-Politikerin.



"Forderung nach Burkaverbot verständlich - rechtlich schwierig"

Forderungen nach einem Burkaverbot bezeichnet Schavan als verständlich. Eine Verbotsregelung sei in Deutschland aber "juristisch schwierig". Wer einen Ganzkörperschleier trage, "gibt sich nicht mehr zu erkennen", meint die Ministerin. Das wecke Ängste vor kultureller Abschottung und fundamentalistischer Gesinnung. Auch der Hinweis auf das Selbstbestimmungsrecht der Frau wirke angesichts dessen nicht überzeugend. "Wir sollten dem Eindruck entgegentreten, dass Freiheit, Respekt und Toleranz genutzt werden für Überzeugungen, die diesen Werten und Grundhaltungen skeptisch gegenüberstehen", so die CDU-Politikerin.



Schavan, seit 2005 Bundesbildungsministerin und zuvor zehn Jahre Kultusministerin Baden-Württembergs, stellt das Buch am Mittwoch im Gespräch mit Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) vor.



Frankreich hat als erstes europäisches Land ein Burkaverbot gesetzlich festgeschrieben. Es soll im April 2011 in Kraft treten. Ein vom Abgeordnetenhaus in Belgien verabschiedetes ähnliches Gesetz wurde hinfällig, weil der Senat vor der Auflösung des Parlaments vor den Neuwahlen im Juni nicht mehr darüber befinden konnte.