Schau in Jerusalem zeigt Perspektive der israelischen Kunst

Jesus als kulturelles Phänomen

Der Glaube an Christus gilt als größte Hürde im theologischen Verständnis zwischen Christen und Juden. Beim Menschen Jesus ist in der Kunst hingegen ein Brückenschlag möglich, wie eine Ausstellung im Israel Museum zeigt.

Autor/in:
Andrea Krogmann
Jerusalem mit der goldenen Kuppel des Felsendoms / © Harald Oppitz (KNA)
Jerusalem mit der goldenen Kuppel des Felsendoms / © Harald Oppitz ( KNA )

Seit fast 2.000 Jahren hat Jesus seinen festen Platz in der Kunst- und Kulturgeschichte des Westens. Viele Meisterwerke sind fest verknüpft mit der Geschichte seines Lebens und Sterbens - und dem christlichen Glauben an seine Auferstehung. Wie aber gehen jüdische, wie gehen israelische Künstler mit dieser Allgegenwart christlicher Motive um?

"Behold the man. Jesus in Israeli Art" (Dies ist der Mensch. Jesus in israelischer Kunst) heißt eine Ausstellung im Israel Museum in Jerusalem, die sich Jesus von einer ungewohnten Perspektive nähert: im Kontext europäisch-jüdischer und israelischer Kunst, mit der Frage nach den komplexen jüdisch-christlichen Beziehungen im Hinterkopf.

Begegnung zwischen den Kulturen

Kurator Amitai Mendelsohn geht es um das "kulturelle Phänomen" Jesus. Jesus' enorme Wirkung auf die bildenden Künste, auf Literatur und Musik habe jüdische Künstler beeinflusst, "nicht negativ, sondern in einer Art Begegnung zwischen Kulturen, die ohnehin sehr eng miteinander in Verbindung standen, und gleichzeitig in einem großen Konflikt zueinander".

"6.000.001": Nüchtern ist der Titel der Holzschnitte von Moshe Hoffman aus dem Jahr 1967. Viel Schwarz auf cremefarbenen Papier, 60 mal 80 Zentimeter, weißes Passepartout, einfacher heller Holzrahmen. Christliche Symbole und der Holocaust. Ein Nazi holt Jesus vom Kreuz und schickt ihn in die lange Reihe Juden auf dem Weg ins Todeslager. Sechs Millionen Juden und Jesus - der "Eine" bezeichne "den Tod der Göttlichkeit und den Niedergang des Glaubens an die Menschheit, Juden wie Christen gleichermaßen", schrieb der Künstler in seiner Autobiografie.

Jeder Künstler hat seinen eigenen Zugang

Mendelsohn formuliert es anders: Wäre Jesus in der Zeit der Nazis gekreuzigt worden, wäre er seinen Geschwistern hinzugefügt worden, sagt er. Jesus, der sein "ganzes Leben lang für Liebe und Gewaltfreiheit" gestanden und sich selbst für die Menschheit geopfert habe, "vom Kreuz zu holen und den anderen hinzuzufügen, ist ein Akt totaler Barbarei, weil es antimenschlich ist".

"Den" jüdischen oder "den" israelischen Jesus sucht man in der Ausstellung vergebens. Kunst, sagt Amitai Mendelsohn, lässt sich "nicht kontrollieren, systematisieren oder in Schubladen stecken".

Jeder Künstler hat seinen eigenen Zugang zu Jesus, wie Jesus selbst eben Symbol sein kann für so vieles: "Für die Schwarzen im Kampf gegen Sklaverei, für Feminismus, für die Mächtigen wie für die Armen: Mit seiner Figur kann man sich in verschiedenster Weise identifizieren."

"Die negative Nutzung der Macht gegenüber Machtlosen"

Entsprechend breit ist die Darstellung Jesus' in den verschiedenen Werken der Ausstellung: Das frühe Werk Maurycy Gottliebs bringt Jesus - in einen jüdischen Gebetsschal gehüllt und in einer Synagoge predigend – "zurück in den Kontext seiner Zeit und ins Judentum, als Symbol moralischen, universalen Lehrens".

Marc Chagalls "Gelbe Kreuzigung", in der Jesus am Kreuz aus dem Flammen des Holocaust emporsteigt, macht ihn zum Symbol jüdischen Leidens und der Verfolgung. Igael Tumarkins "Beduinenkreuzigung" (1982) - ein Kreuz, entstanden aus Überresten eines von Israel zerstörten Beduinenlagers - wird zur Anklage gegen die israelische Regierung. "Es geht um Macht und die negative Nutzung der Macht gegenüber Machtlosen."

Diese politische Note in Mendelsohns Ausstellung ist durchaus gewollt, "politisch im Sinne einer Identifizierung mit den Schwachen durch Jesus als Symbol". Wie Künstler im Allgemeinen sei auch Jesus gegen das Establishment gewesen, so Mendelsohn. Seine Auseinandersetzungen hätten sich gegen Konventionen gerichtet, so wie auch Kunst "im besten Fall gegen die Konvention" sei.

Gegen die Konvention

Gegen die Konvention ist auch Mendelsohns Jesus-Schau - und sie stößt auf ein breites Interesse von Christen, von säkularen wie auch religiösen Juden. Genau das will die Ausstellung nach den Worten ihres Kurators: ein Ort sein, an dem Christen und Juden sich begegnen und Verbindendes finden können, ohne die eigene Identität zu verlieren. "Wir treffen uns in der menschlichen Seite von Jesus. Das lässt uns einen langen Weg der Gemeinsamkeiten, ohne die Identität zu verlieren."


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Quelle:
KNA