Schäuble: Aufnahme von Christen besonders notwendig

Flüchtling nicht gleich Flüchtling?

In die Diskussion um Aufnahme christlicher Flüchtlinge aus dem Irak kommt Bewegung: Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble hat am Donnerstag im Bundestag erneut für das Asyl in Deutschland geworben. Religiöse Minderheiten und vor allem Christen seien besonders verfolgt, sagte Schäuble vor dem Parlament. Die Grünen wollten durchsetzen, dass die Aufnahme unabhängig von der Religionszugehörigkeit erfolgen müsste - und scheiterten bei der Abstimmung.

Christen im Irak: Von jeher nur eine religiöse Minderheit, heute bedroht und verfolgt (DBK)
Christen im Irak: Von jeher nur eine religiöse Minderheit, heute bedroht und verfolgt / ( DBK )

Schäuble erwartet nun einen EU-Beschluss zur Aufnahme von schutzbedürftigen Irak-Flüchtlingen für den Herbst. Bei den Beratungen der EU-Innenminister am Donnerstag in Luxemburg sei der deutsche Vorstoß zur Aufnahme religiöser und ethnischer Minderheiten bei seinen Amtskollegen auf breite Zustimmung gestoßen. Die Lage der Flüchtlinge nannte er dramatisch. Das sei auch unter den EU-Innenministern unstrittig.

Schäuble und für die Länderinnenminister der Berliner Innensenator Ehrhart Körting (SPD) schlossen nicht aus, dass Deutschland bereits vor einer EU-Entscheidung kurzfristig zusätzliche Flüchtlinge aufnehmen werde. Wie viele von ihnen in Deutschland und der EU aufgenommen werden sollen, wollten weder Schäuble und Körting sagen.

Sie verwiesen darauf, dass Deutschland bereits jetzt über reguläre Asylverfahren monatlich mehr als 500 Flüchtlinge aufnehme. Die besonders in Not geratenen Irak-Flüchtlinge, die derzeit in Lagern in Nachbarländern lebten, sollten zusätzlich aufgenommen werden, sagte Körting.

Im Irak sind Christen und kleinere andere religiöse Minderheiten derzeit besonders bedroht. Insgesamt gibt es rund 2,7 Millionen Vertriebene innerhalb des Irak; weitere 2,2 Millionen Menschen sind ins Ausland geflohen. Nach Angaben deutscher Diplomaten wurden im vergangenen Jahr 5.760 irakische Flüchtlinge in Deutschland als Asylbewerber anerkannt. In der EU stellten irakische Flüchtlinge insgesamt rund 40.000 Asylanträge.

Längerfristiger Aufenthalt mit Flüchtlingsstatus
Schäuble schlug seinen Amtskollegen ein gemeinsames Vorgehen vor, das aufnahmebereite EU-Staaten ermutigt, Binnenflüchtlinge im Irak sowie jene Schutzbedürftigen aufzunehmen, die bereits in Nachbarstaaten des Irak geflohen seien. Dabei sollten die EU-Staaten mit dem Flüchtlingshilfswerk UNHCR und anderen maßgeblichen Organisationen zusammenarbeiten. Sie sollten in der EU Flüchtlingsstatus erhalten. Schäuble schloss nicht aus, dass es um einen längeren Aufenthalt der Betroffenen gehe, solange es keine Aussicht gebe, dass die Flüchtlinge in den Irak zurückkehrten.

Unterdessen forderte Pro Asyl Deutschland und andere EU-Staaten zu schnellem Handeln. Die Irak-Flüchtlinge in Nachbarstaaten lebten unter prekären Verhältnissen, sagte Pro-Asyl-Geschäftsführer Günther Burkhardt am Donnerstag in Berlin. Aufnahmebedingung müsse dabei die Schutzbedürftigkeit, nicht die Religionszugehörigkeit sein. Allerdings seien die Christen besonders schutzbedürftig, da es für sie im Irak keine Zukunftsperspektive gebe.

Burkhardt verlangte zugleich eine grundsätzliche Wende in der deutschen und europäischen Asylpolitik. Europa müsse mehr Schutzbedürftige aufnehmen und geregelte Zugangswege für Migranten eröffnen. Trotz wachsender Flüchtlingsströme schotte sich der Kontinent ab.

Parteien uneins
In namentlicher Abstimmung hatte das Parlament mit den Stimmen der Koalition einen Antrag der Grünen abgelehnt. Sie wollten erreichen, bei der Aufnahme verfolgter Iraker nach der Schutzbedürftigkeit und nicht nach Religionszugehörigkeit zu entscheiden. Zahlreiche Abgeordnete der SPD-Fraktion, aus deren Reihen der Außenpolitiker Rolf Mützenich deutliche Kritik am Konzept Schäubles vorbrachte, gaben zu der Abstimmung persönliche Erklärungen zu Protokoll. Damit nutzten sie die Möglichkeit, eine von der Fraktionslinie abweichende persönliche Meinung zu erläutern.

Schäuble sagte zu der Kritik Mützenichs und aller Redner der Opposition, sicher könne man auch dafür plädieren, die christlichen Flüchtlinge in die Türkei und die muslimischen nach Mitteleuropa zu bringen. «Es ist ein bisschen anders auch intelligent», so der Minister. Wenn sich etwa die Kirchen für die Aufnahme christlicher Flüchtlinge in Deutschland einsetzten, könne er daran nichts Diskriminierendes erkennen.

Selbstverständlich, so Schäuble, müsse man bei dieser Frage mit dem UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) zusammenwirken. Die Aufnahmeländer sollten aber mitreden, welche Menschen zur Integration besonders geeignet sind. Das UNHCR wendet sich gegen eine Aufnahme nach Religionszugehörigkeit. Der Minister war kurz vor der Debatte von Beratungen der EU-Innenminister aus Luxemburg zurückgekehrt. Seine dortigen Ausführungen, zügig Flüchtlinge nach Deutschland aufnehmen zu wollen, wurden fraktionsübergreifend gelobt.

Mützenich äußerte Zweifel, dass eine Konzentration auf irakische Christen der Problemlage angemessen sei. Die FDP-Außenexpertin Elke Hoff plädierte für eine Balance zwischen Ethnien und religiösen Gruppierungen. Es widerspreche christlicher Nächstenliebe, Flüchtlinge abzulehnen, «die der falschen Konfession angehören».  Ulla Jelpke (Linke) lobte, die Kirchen hätten sich vorbildlich für die Aufnahme von Christen eingesetzt. Auch die Kirchen wollten aber gewiss nicht nur Christen helfen, die «in der Tat im Irak besonders verfolgt sind».

Die außenpolitische Sprecherin der Grünen, Kerstin Müller, mahnte dringende und schnelle Hilfe angesichts der dramatischen Lage der Flüchtlinge an. Dabei könne es aber nicht nach religiöser Zugehörigkeit gehen, Kriterium müsse die Schutzbedürftigkeit sein. Müller zitierte den Leiter des Katholischen Büros bei der Bundesregierung, Prälat Karl Jüsten. Dieser habe nach einem Besuch in Syrien und Jordanien vor zwei Wochen gesagt, bei Härtefällen sei die Religionszugehörigkeit zweitrangig, da gelte «die Geschichte vom barmherzigen Samariter».