Sant'Egidio begrüßt Gebetsanliegen gegen die Todesstrafe

"Ein Gebet ist ein erster Schritt"

In diesem Monat lädt Papst Franziskus in seinem Gebetsanliegen dazu ein, für ein Verbot der Todesstrafe in allen Ländern der Welt zu beten. Die christliche Gemeinschaft Sant’Egidio unterstützt das Anliegen und sieht Fortschritte.

US-Flagge in einem amerikanischen Gefängnis / © travelwild (shutterstock)
US-Flagge in einem amerikanischen Gefängnis / © travelwild ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Wie kann beten gegen die Todesstrafe helfen? Was bedeutet es für Sie, dass der Papst dieses Gebetsanliegen jetzt ausgerufen hat?

Matthias Leineweber / © Anne Ackermann (KNA)
Matthias Leineweber / © Anne Ackermann ( KNA )

Pfarrer Dr. Matthias Leineweber (Gemeinschaft Sant’Egidio): Ich glaube, das Gebet ist erst mal ein erster Schritt, der unser Bewusstsein auch prägt für dieses Thema, das vielleicht in Europa ein bisschen in den Hintergrund getreten ist. In Europa ist ja zum Glück die Todesstrafe fast komplett abgeschafft, außer in Weißrussland. Es ist auch ein bewusster Schritt, dass der Papst unseren Blick ein bisschen weitet auf die ganze Welt, weil das leider in vielen Ländern noch nicht der Fall ist.

Gerade auch durch diese schwierigen Konflikte wie den Ukraine-Krieg ist ja auch dieses Klima der Gewalt so gewachsen. Ich glaube, der Einsatz gegen die Todesstrafe ist auch ein Zeichen, dass es andere Mittel gibt, um etwas gegen Gewalt zu tun.

Pfarrer Dr. Matthias Leineweber (Gemeinschaft Sant’Egidio)

"Jetzt ist der Katechismus endgültig ganz deutlich, dass die Todesstrafe einfach nicht mehr mit dem Geist des Evangeliums übereinstimmt."

DOMRADIO.DE: Papst Franziskus ist ein leidenschaftlicher Gegner der Todesstrafe. Im Jahr 2018 ließ er sogar den Katechismus dahingehend ändern, dass jetzt ein absolutes Nein zu Hinrichtungen im staatlichen Auftrag gilt. Wie bedeutend war dieser Schritt?

Leineweber: Ich glaube, das war ein sehr entscheidender Schritt. Wir können das gar nicht abschätzen, weil im Katechismus immer noch in bestimmten Fällen ja die Todesstrafe als zulässig gegolten hat. Jetzt ist der Katechismus endgültig ganz deutlich, dass die Todesstrafe einfach nicht mehr mit dem Geist des Evangeliums übereinstimmt.

Das ist ein sehr wichtiger Fortschritt. Der wurde vielleicht nicht so sehr wahrgenommen, ist aber für die katholische Kirche doch jetzt noch mal eine große Ermutigung, sich auch dafür aktiv einzusetzen, wie es ja auch viele Katholiken und Christen überhaupt tun, dass die Todesstrafe in den Ländern, in denen es sie noch gibt, abgeschafft wird.

DOMRADIO.DE: Haben Sie denn konkrete Folgen ausmachen können? Hat diese Katechismus-Änderung tatsächlich etwas gebracht im Kampf gegen die Todesstrafe?

Leineweber: Ich würde sagen, auf jeden Fall. Vor allen Dingen hat es auch die vielen Christen und vielleicht darüber hinaus auch die, die sich in Menschenrechtsorganisationen engagieren, ermutigt, in diesem Kampf weiterzumachen. Wenn der Papst so deutlich den Katechismus ändert – und das war eine Initiative des Papstes, das muss man sagen, dann ist das ein Signal, das in der Welt ja doch gilt. Franziskus ist ja sehr stark präsent, was Menschenrechtsfragen betrifft. Das ist natürlich eine große Ermutigung.

Das ist auch für die Staaten, die ja auch fast alle Beziehungen zum Heiligen Stuhl haben, ein Zeichen, dass da jemand ist, der diese Frage konkret ins Spiel bringt und da eine ganz klare Position vertritt. Das ist auch sehr wichtig für die Ortskirchen. Ich denke zum Beispiel an die Vereinigten Staaten. Da ist es wichtig für die Bischöfe und stärkt sie in ihrem Engagement vor Ort.

DOMRADIO.DE: Der Trend geht ja dahin, dass immer mehr Länder die Todesstrafe aus ihren Gesetzbüchern verbannen. Haben Sie ein positives Beispiel dafür, was da in den letzten Jahren passiert ist?

Leineweber: Es gibt ja seit 2002 schon 20 Jahre die Aktion "Cities for Life", bei der Städte gegen die Todesstrafe eintreten. Das ist am 30. November, das ist der Tag, an dem mit dem Großherzogtum Toskana das erste Land der Welt 1786 die Todesstrafe abgeschafft hatte. Seitdem haben viele Länder die Todesstrafe abgeschafft. In Europa ist es nur noch Weißrussland, das die Todesstrafe beibehält. Auch Russland hat ein Moratorium verhängt.

In Afrika haben sehr viele Länder die Todesstrafe abgeschafft und vor allen Dingen in den USA gibt es eine wichtige Tendenz. Mittlerweile sind es von den 50 Bundesstaaten 25, die die Todesstrafe abgeschafft haben. In den letzten sieben Jahren waren es sieben Bundesstaaten. Es ist eine Tendenz, die ganz deutlich weg von der Todesstrafe geht und hin zur Abschaffung. Das ermutigt uns natürlich auch, da weiterzumachen. Und solche Signale wie dieser Gebetsmonat sind in dieser Hinsicht auch für all diese Aktivisten eine sehr gute Ermutigung.

Das Interview führte Heike Sicconi.

Hintergrund: Todesstrafe weltweit

Die Mehrzahl der Staaten in der Welt hat die Todesstrafe abgeschafft oder vollzieht sie nicht mehr. Der Trend zur Abschaffung sei nicht mehr umzukehren, meint die Menschenrechtsorganisation Amnesty International. Einige wenige Staaten sorgen für den Großteil der Fälle - allen voran China. Die Zahl dokumentierter Hinrichtungen ist nach den jüngsten Amnesty-Zahlen von April 2019 im Jahr 2018 um etwa ein Drittel gesunken und hat den niedrigsten Stand seit zehn Jahren erreicht. Die Menschenrechtsorganisation verzeichnet 2018 mindestens 690 Hinrichtungen in 20 Staaten.

Kuwait: Vollstreckte Todesstrafe (dpa)
Kuwait: Vollstreckte Todesstrafe / ( dpa )
Quelle:
DR