Santa Severa zwischen Christenmord und Badeort

Antiker Hafen, Papst-Raststätte, Strandurlaub

Santa Severa ist heute ein gemütlicher, kleiner Badeort nahe Rom. Dabei war die Stadt Schauplatz von spannender bis schauriger Geschichte, die sich hier über viele Jahrhunderte hinweg abgespielt hat.

Autor/in:
Severina Bartonitschek
Kinder vor dem Schloss von Santa Severa / © Cristian Gennari/Romano Siciliani (KNA)
Kinder vor dem Schloss von Santa Severa / © Cristian Gennari/Romano Siciliani ( KNA )

Sanft umspielen die Wellen des Mittelmeers die Mauern einer mittelalterlichen Burg unweit von Rom. Auf der einen Seite erstreckt sich ein Naturschutzgebiet mit schwarzem Sand, auf der anderen liegen Menschen mehr oder weniger geordnet auf gemieteten blauen Sonnenstühlen unter dem gleichfarbigen Himmel.

Von der Bronzezeit bis zum Zweiten Weltkrieg

Santa Severa ist heute ein beliebter Ausflugsort für Bewohner und Touristen der italienischen Hauptstadt. Neben Sonnen- und Wasserbaden bietet das Städtchen auch eine Jahrtausende alte Geschichte – Überreste aus der Bronzezeit wurden in der Nähe gefunden, Etrusker und Römer lebten und handelten hier. Der Ort diente als päpstliche Raststätte und Stützpunkt der Deutschen während des Zweiten Weltkriegs.

Mächtigster und einer der ältesten Zeugen früherer Zeiten ist die rötlich-braune Burg von Santa Severa mit angeschlossenem mittelalterlichen Dorf. Sie steht an den Überresten des einst bedeutenden Etruskerhafens Pyrgi. Noch vor den Römern besiedelte das antike Volk ab circa 800 v. Chr. Mittelitalien.

Sie lebten von der Eisenproduktion und landwirtschaftlichem Handel. Wichtige Geschäftspartner im Mittelmeerraum waren die Griechen, Phönizier und Karthager. Mit den aufstrebenden Römern verschwanden die bedeutenden Städte der Etrusker ab etwa 300 vor Christus nach und nach. Ihre Kultur ging in die römische über, genau wie die Hafenstadt an der Via Aurelia.

Legende der Severa

Die neuen Bewohner waren dann auch diejenigen, die der Stadt – wenn auch unabsichtlich – ihren heutigen Namen verliehen. Kaiser Diokletian (284-305 n. Chr.) galt als großer Reformer im Römischen Reich; ebenso als Christenverfolger. Unter ihm soll etwa Afra von Augsburg gestorben sein, vielleicht auch die heilige Ursula von Köln, sollte sie je existiert haben. Eine weitere christliche Märtyrerin unter seiner Herrschaft stammte aus dem kleinen Ort am Mittelmeer: Severa.

Der Legende nach hat ihr Vater römische Soldaten zum christlichen Glauben bekehrt. Während er erst zur Zwangsarbeit verurteilt und später enthauptet wurde, nahmen die Römer auch seine Familie in die Mangel. Seine Ehefrau starb kurz nach ihm, seine drei Kinder kamen zunächst davon.

Tochter Severa hatte den verhörenden Verwaltungsbeamten zum Christentum bekehrt. Letztlich aber endete die Geschichte für keinen der Beteiligten glücklich: Der Beamte wurde enthauptet, Severa und ihre beiden Brüder mit Bleigeißeln – einer Peitsche mit Bleikugeln – totgeschlagen.

Begraben wurden sie dort, wo sie im Jahr 298 starben: Am Strand des heutigen Örtchens Santa Severa. Überreste einer frühchristlichen Kirche für die Märtyrerin liegen unter der Burg am Meer. Erstmals schriftlich erwähnt wurde der aktuelle Ortsname im 11. Jahrhundert, die Burg etwa 300 Jahre später erbaut. Der Vatikan hielt von Severas Geschichte nicht viel und strich sie 1970 aus dem Heiligenkalender.

Museen, Ausstellungen, Konzerte

Nach einer wechselhaften Eigentümergeschichte rund um adelige Römerfamilien und katholische Kirche übernahm der Hospitalorden vom Heiligen Geist über Jahrhunderte den Burgkomplex. Der Orden renovierte das Anwesen und baute eine neue Kirche, gewidmet den beiden Märtyrerinnen Lucia und Severa. Päpste nutzten den malerisch wie günstig gelegenen Ort, um eine Reisepause einzulegen – etwa 50 Kilometer vor Rom.

Ab dem 18. Jahrhundert verfiel der Komplex nach und nach, das Ende des Kirchenstaats 1870 trug sein Übriges bei. Im Zweiten Weltkrieg nutzten die Deutschen den Ort als strategischen Stützpunkt. Erst danach erwachte das kleine Städtchen am Mittelmeer wieder zum Leben und entwickelte sich zu dem heutigen Badeort.

Seit sechs Jahren ist die Burg restauriert und zugänglich. Neben Museen und Kunsthandwerk gibt es hier Ausstellungen und Konzerte in lauen Sommernächten. Rast machen wie einst die Päpste kann heute jeder Besuchende – 40 Schlafplätze bietet das mittelalterliche Kastell.

Die heilige Severa selbst ist inzwischen fernab des ganzen Trubels. Ihre Gebeine sollen Ende des 17. Jahrhunderts in die Kirche Santo Spirito in Sassia nahe dem Petersdom gebracht worden sein. Weitere Knochenreste befinden sich der Legende nach auf Sardinien - auf diese Insel soll Severa nach ihrem Tod geflogen sein. Verehrt wird sie dort ebenso wie in ihrem Heimatort - offiziell heilig oder nicht - seit ihrem Tod vor 1.725 Jahren.

Quelle:
KNA