Salzburger Hochschulwochen bewegt große Fragen der Zukunft

Orientierungssuche in Krisenzeiten

Sie werben mit "smarter Sommerfrische" und wollen Ort des Nachdenkens sein. Wie kann es mit unserer Gesellschaft weitergehen? Diese Frage stand im Fokus der Salzburger Hochschulwochen. Es war aber nicht das einzige Thema.

Autor/in:
Annika Schmitz
Mehr Engagement für die Gesellschaft (shutterstock)

Um intellektuellen Eskapismus soll es nicht gehen. Das waren die Eingangsworte von Martin Dürnberger am vergangenen Montag bei der Eröffnung der diesjährigen Salzburger Hochschulwochen. Stattdessen wünschte der Theologe und Obmann der renommierten Sommeruniversität, die am Sonntag endete, den Teilnehmenden ein "Heraustreten aus dem Lärm der Zeit", um über das Kommende nachzudenken - biografisch, gesellschaftlich, politisch, kirchlich. "Wie geht es weiter?", lautete die Leitfrage.

Erzbischof Franz Lackner / © Henning Klingen (KNA)
Erzbischof Franz Lackner / © Henning Klingen ( KNA )

Doch zuerst die Diagnose: Es ist die Rede von der Zeitenwende, in der alte Orientierungen wenig Bestand haben und neue noch nicht gefunden wurden. Der Salzburger Erzbischof Franz Lackner stellte fest, dass es schwerer geworden sei, letztgültige Antworten zu geben und einen Konsens in der Gesellschaft herzustellen.

Stattdessen wird das Leben komplizierter - und unsicherer. Ein Beispiel von vielen: Der Londoner Weltraumforscher Daniel Verscharen gab zu bedenken, wie fragil das Leben auf Erden ist und wie abhängig von Satelliten und Stromnetz. Beides könne durch das Weltraumwetter - sich ändernde Bedingungen im erdnahen All - leicht außer Gefecht gesetzt werden und gravierende Folgen haben.

Kreatives Potenzial der Gemeinschaften

Manche Wortmeldungen ließen wenig Hoffnung in den Menschen und auf eine Wende hin zum Guten erkennen. Da hielt die Sozialpsychologin Eva Jonas gegen. Sie sprach von den Kräften, die der Mensch in Krisenzeiten freisetzen kann und von dem kreativen Potenzial, das Gemeinschaften entspringt. Sie und ihr Team forschen nun daran, wie gesellschaftliche Visionen entstehen und welche Ressourcen sie freisetzen. Komplexität, Widersprüchlichkeit und unterschiedliche Wahrnehmungen aushalten - Fachleute nennen das Ambiguitätstoleranz - wird zur gesellschaftlichen Kernkompetenz.

Vielleicht könne eine der ältesten Religionen der Welt dabei helfen, befand der Judaist Yossi Hayyut Chajes. Mit Meinungsverschiedenheiten umgehen, komplexe Argumente austauschen und bereits im Diskurs einen Fortschritt sehen, sei seit jeher jüdischen Traditionen eingeschrieben. Religionen können Orte der gepflegten Auseinandersetzung sein, beschrieb Chajes - eine Hoffnung, die er im Übrigen mit Jonas teilte. Sie plädierte dafür, dass die Kirchen zu Räumen werden müssten, in denen gesamtgesellschaftliche Diskurse geführt werden können.

Chancen und Illusionen synodaler Prozesse

Religionssoziologe Detlef Pollack (WWU – MünsterVIEW)

Denn natürlich ging es in Salzburg auch um Religion, Theologie und Kirche. Eine Diskussionsveranstaltung widmete sich Chancen und Illusionen synodaler Prozesse wie dem Reformprojekte der katholischen Kirche in Deutschland, dem Synodalen Weg. Unterdessen konstatierte der Religionssoziologe Detlef Pollack, dass die Kirchenkrise in Deutschland erst am Anfang stehe, die Bedeutung der Institution weiter schwinden werde.

Julia Knop / © Julia Steinbrecht (KNA)
Julia Knop / © Julia Steinbrecht ( KNA )

Mit Blick auf innerkirchliche Debatten machte die Erfurter Theologin Julia Knop zwei Lager aus, die sich gegenseitig als ein die Krise verschärfendes Problem wahrnähmen. Missbrauch und Vertuschung durch Kleriker sei ein grundlegendes und im kirchlichen System angelegtes Problem, sagten die einen und forderten daher eine Erneuerung ebendieses Systems. Die anderen hingegen sähen im Missbrauch den Widerspruch zum kirchlichen Selbstverständnis. Ihre Lösung gehe dahin, die Lehre zu vertiefen und zu bewahren.

Unterschiedliche Ansichten zur Reformdiskussion

Zeitenwende also auch in der Kirche? Pollack und Knop bestritten dies nicht und kamen in der gemeinsamen Diskussion doch zu unterschiedlichen Antworten. Der Religionssoziologe fragte an, ob die katholische Kirche sich überhaupt strukturell reformieren sollte. Der Aufbau der Hierarchie, die Festlegung auf bestimmte biblische Bücher, die Lehrtradition, sie alle stünden im Dienst des "Anderen": Um das Heilige in der Welt erfahrbar zu machen. Knop hielt dagegen. Es gehe im Christentum nicht darum, die Welt zu sakralisieren, sondern das Heilige im Profanen erlebbar zu machen - in menschlichen Worten, in der Sehnsucht. Gemeinsam müssen entworfen werden, wie dies im 21. Jahrhundert gelingen könne.

Nachdenkliche Töne wurden bei der Verleihung des Theologischen Preises an den 96-jährigen David Steindl-Rast angeschlagen. Das Vertrauen in das Leben sei die einzig gemeinsame Grundlage der Menschheit, sagte der in den USA lebende Benediktinermönch. Wenige Schritte weiter versammelten sich die Festspielbesucher in festlicher Abendgarderobe vor dem Festspielhaus. Der "Jedermann" mahnte vom Domplatz an, nicht auf Reichtümer zu setzen. Ambiguitäten gilt es auszuhalten, auch im Sommer in Salzburg.

Quelle:
KNA