Ruhrtriennale-Premiere in Bochum

Inszenierung mit symbolkräftigen Bildern

Mit einer umjubelten Premiere von Arnold Schönbergs Oper "Moses und Aron" ist die diesjährige Ausgabe der Ruhrtriennale in ihre neue Spielzeit gestartet. Intendant Willy Decker, der sich in seiner dreijährigen Amtszeit mit den Weltreligionen Judentum, Islam und Buddhismus auseinandersetzen will, gab damit zugleich seinen Einstand als Regisseur.

Autor/in:
Guido Krawinkel
 (DR)

"Aufbruch - Auf der Suche nach dem Wort" ist das Triennale-Jahr 2009 überschrieben, das dem Judentum gewidmet ist. Schönbergs atonale, musikalisch auf einer einzigen Zwölftonreihe basierende Oper passte da wie maßgeschneidert ins dramaturgische Konzept, werden darin doch die religionsphilosophischen Grundfragen des Judentums und eines monotheistischen Glaubens behandelt. Seit 1923 beschäftigte sich Schönberg mit dem Moses-Stoff. Fünf Jahre später begann er mit Vorarbeiten zu der zunächst als Oratorium geplanten Oper. Sie sollte ihn bis zu seinem Tod 1951 beschäftigen, blieb aber letztlich ein zweiaktiger Torso.

Die Grundthemen der Oper wie die Bildhaftigkeit Gottes oder den Konflikt zwischen den ungleichen Brüdern Moses und Aron arbeitet Decker in seiner vielschichtigen, mitunter auch aufsehenerregenden Inszenierung mit symbolkräftigen Bildern heraus. Deutlich spürbar ist die Spannung zwischen dem sehr grundsätzlich denkenden Moses, der bei der Führung des Volkes Israel seinen Bruder als Sprachrohr benötigt, und Aron, der sich im Gegensatz zu Moses regelrecht um die Verantwortung zu reißen scheint und zu pragmatischen Zugeständnissen an das Volk bereit ist.

Spektakuläres Bühnenkonzept
In der Bochumer Inszenierung werden die Brüder von Dale Duesing
(Moses) und Andreas Conrad (Aron) verkörpert, die ihre Protagonisten mit nachdrücklicher Bühnenpräsenz darstellen. Duesing Partie ist mit Blick auf die sprachlichen Unzulänglichkeiten von Moses als Sprechrolle konzipiert. Diese gestaltet er als aufzehrende Auseinandersetzung eines an die Grundwerte Glaubenden, letztlich aber an der Realität gesellschaftlicher Prozesse Verzweifelnden. Ebenso stellt Conrad die Figur des sich immer wieder wie ein Fähnchen im Wind drehenden Aron mit großartiger Eindringlichkeit dar. Er singt seine außerordentlich anspruchsvolle Partie mit tenoralem Glanz - abgesehen von vereinzelten Problemen in der Höhe.

Für seine Inszenierung hat Willy Decker ein spektakuläres Bühnenkonzept entworfen, das erst durch die besonderen räumlichen Gegebenheiten der Jahrhunderthalle ermöglicht wird. So sitzt das Publikum auf zwei gegenüberliegenden Rängen in einem rechteckigen Kubus, der auseinanderfahrbar ist und in der Mitte eine große Spielfläche freigibt. Von der Decke kommt in einigen Szenen ein riesiger Käfig herab, der die Gefangenschaft des Volkes Israel symbolisiert und auch als Projektionsfläche für eindrucksvoll animierte Effekte dient. Hier haben Decker und sein Bühnenbildner Wolfgang Gussmann aus dem Vollen geschöpft und Bilder mit hohem Symbolgehalt geschaffen.

Nur selten schießt Decker ein wenig übers wohl gemeinte Ziel hinaus: Etwa wenn ein gegen den Götzendienst seines Volkes aufbegehrender Jüngling nach Wild-West-Manier mit einer Pistole über den Haufen geschossen wird, was angesichts der ansonsten sehr reduzierten und stringenten Inszenierung eher banal wirkt. Herausragend ist in jedem Fall außer dem Sängerensemble das ChorWerk Ruhr, das seinen umfangreichen und sehr schwierigen Part äußerst souverän gestaltet und in den eindrucksvollen Massenszenen sehr überzeugend die Wucht des Volkes vermittelt. Und auch die von Michael Boder geleiteten Bochumer Symphoniker leuchten Schönbergs komplexe Partitur exzellent aus.