Roncalli-Chef Bernhard Paul wird 75 Jahre alt

Mit Gottvertrauen zum "schönsten Zirkus der Welt"

Memoiren, TV-Doku, Zirkusmuseum, Jubiläumsbildband, neue Tournee. Über Mangel an Projekten kann Bernhard Paul nicht klagen. Sein 75. Geburtstag rangiert dagegen für den Chef des Imperiums Roncalli ganz weit hinten.

Autor/in:
Sabine Kleyboldt
Bernhard Paul / © Rolf Vennenbernd (dpa)
Bernhard Paul / © Rolf Vennenbernd ( dpa )

Er ist Oberhaupt einer über hundertköpfigen multinationalen Familie; mehr noch: Es ist ein ganzes Universum, das Bernhard Paul seit bald 50 Jahren leitet. Seit einem vagen Kindheitstraum ist für den umtriebigen Österreicher die Zirkusmanege sein Leben. Am 20. Mai wird der vielfach Geehrte 75 Jahre alt.

Über Umwege zum Zirkus

Paul verkauft einen Traum für alle Generationen. Doch in kaum einer Branche liegen Romantik und hartes Unternehmertum so eng beieinander wie in der Zirkuswelt. So musste der Sohn einer Handwerkerfamilie, der im niederösterreichischen Industrieort Wilhelmsburg aufwuchs, oft Geduld und Gottvertrauen walten lassen.

Nach der Zeit in einem katholischen Internat studierte er Hoch- und Tiefbau sowie Grafik, wurde Art Director einer Werbeagentur und eines Nachrichtenmagazins. Doch beim Urenkel des Librettisten von Walzerkönig Johann Strauss siegte die Sehnsucht nach der Zirkuswelt seiner Kindheit.

1975 kaufte Paul einen alten Zirkuswagen; gemeinsam mit dem Multimedia-Künstler Andre Heller gründete er den "Circus Roncalli", inspiriert vom bürgerlichen Namen von Papst Johannes XXIII., der das Zweite Vatikanische Konzil (1962-1965) einberief. Ausschlaggebend waren der schöne Klang und die Reformen, für die der Name Giuseppe Roncalli steht, so Paul.

"Die größte Poesie des Universums"

Denn um Reformen ging es auch Paul und Heller. Die erste Tour "Die größte Poesie des Universums" 1976 war umjubelt. Das neue Konzept ergänzte den klassischen Manegen-Zauber mit Poesie und technischer Reife. Doch als es zum Bruch mit Heller kam, blieb Paul auf den Schulden sitzen.

1980 schwang er sich erneut auf, diesmal zur dreiteiligen "Reise zum Regenbogen", auf der ihn bis 1992 rund acht Millionen Besucher begleiteten. Mehrere gefeierte Tourneen folgten, auch dank Clown Zippo, niemand anderer als der Direktor selbst.

Neue Zirkuskultur

Paul etablierte eine neue Zirkuskultur. 2018 gab es die letzte Tiernummer. Seither zeigen sich in der Manege Pferde, Elefanten, Papageien und sogar Delfine - als Hologramme. Denn Roncalli gibt sich zeitgemäß, immer wieder. Das aktuelle Tour-Motto "All for ART for all" meint auch "artgerecht und nachhaltig": vegetarische und vegane Pausensnacks, gereicht in ökologisch abbaubarem Geschirr. Natürlich gibt's auch Bratwurst - aber in Bio-Qualität.

An jeder Show sind etwa 100 Menschen beteiligt: Artisten, Ballett, Orchester, Technik, Logistik und Catering, aus zehn Ländern. "Das Schöne ist ja: Obwohl im Zirkus so viele Nationen und Religionen vereint sind, gibt es keine Probleme untereinander", schwärmt Paul. "Wir praktizieren unsere jeweilige Religion, auch die Nächstenliebe." Dieses "älteste Modell der multikulturellen Künstlergesellschaft" sei "der Beweis dafür, dass es auch friedlich geht". Entsprechend gebe es auch keine Probleme zwischen Russen und Ukrainern im Team.

Pauls eigentliche Familie besteht aus Ehefrau Eliana und den drei erwachsenen Kindern Vivien, Liliane und Adrian, die schon früh in der Manege auftraten - und sogar dort getauft wurden. Ein Muss, "wenn der Zirkus schon mal nach einem Papst benannt ist", scherzt der Direktor. Auch seine Eliana, Italienerin aus uralter Artistenfamilie, hatte er 1990 unter der Zirkuskuppel geheiratet.

Geburtstag "keine große Sache"

Die aktuelle Tournee bewirbt Roncalli als multimediales "Meisterwerk im schönsten Circus der Welt". Mitten in diesem "Spektakel zwischen Nostalgie und Moderne" feiert Paul seinen 75. Geburtstag. Daraus möchte er "keine große Sache machen"; ein "Geburtstagsprogramm" werde es nicht geben.

Außerdem sind da auch seine vielen anderen Projekte: Pauls Memoiren, ein großformatiges Buch zum 50. Roncalli-Jubiläum 2026, Dreharbeiten zu einer sechsteiligen TV-Doku und natürlich das lang geplante Roncalli-Museum in Köln. Dafür hat er über Jahrzehnte die größte Zirkussammlung Europas zusammengetragen: Plakate, Kostüme, Requisiten, Wagen und andere Raritäten.

Was den Erfolg des Circus Roncalli ausmacht? "Unser Zirkus ist ein Biotop der Fantasie und der Poesie, eine Art Gegenwelt", meint Bernhard Paul. "Wir wollen die Leute aus dem Alltag und ihrem manchmal tristen Dasein mit all seinen Problemen entführen. Sie können hier abschalten und ein Stück heile Welt erleben."

Quelle:
KNA