Das sagte die Geschäftsführerin des Instituts für Praxisforschung und Projektberatung (IPP) der "Westdeutschen Allgemeinen Zeitung" (Donnerstag) in Essen. Die sozialwissenschaftliche Einrichtung erarbeitet derzeit eine Studie zu sexualisierter Gewalt im Bistum Essen, die im Januar präsentiert werden soll.
Dill nannte den Fall des Priesters Peter H., der in den 1970er-Jahren im Bistum Essen als übergriffig auffiel. In den 1980er-Jahren wurde er ins Erzbistum München und Freising versetzt und beging dort weitere Missbrauchstaten.
"Völlig geschlossenes System"
"Der zentrale Punkt ist, dass Kirche sich als ein völlig geschlossenes System präsentiert", so Dill weiter. "Solche geschlossenen Institutionen können Gewalt und Missbrauch begünstigen." Die klerikale Macht der Bischöfe und Priester sei zudem unanfechtbar gewesen. "Das ist eine gefährliche Mischung", sagte die Soziologin.

Die seit März 2020 laufende Studie zeigt laut Dill auch, welche Auswirkungen Missbrauch auf Pfarrgemeinden hatte. Wenn ein Fall bekannt geworden sei, hätten Gemeindemitglieder häufig den beschuldigten Priester verteidigt. So sei es zu Spaltungen in Pfarreien gekommen, die zum Teil bis heute nachwirkten. "Manche Menschen plagen noch heute Schuldgefühle, weil sie früher geschwiegen oder gar den Täter verteidigt haben", sagte Dill.
Studie vom Bistum Essen in Auftrag gegeben
Das Bistum Essen hatte die Studie in Auftrag gegeben und dem IPP gleichzeitig Unabhängigkeit zugesichert. Laut Dill haben die Forschenden bereits die Akten aller beschuldigten Geistlichen ausgewertet und sechs Beispielfälle ausgewählt.
Durch Interviews mit Betroffenen, Gemeindemitgliedern und Zeitzeugen zeichne das Team die Vorgänge nach. In einigen Fällen würden auch Täter befragt. Zudem analysierten die Forschenden Prozesse in den Kirchengemeinden und den Umgang mit Sexualität in Kirche und Priesterausbildung.