Rheinischer Präses Schneider mahnt christliche Unternehmer

Kein Gewinn um jeden Preis

Christliche Unternehmen müssen nach den Worten des rheinischen Präses Nikolaus Schneider das Wohl von Menschen über den Profit stellen. "Gewinn um jeden Preis kann es für Christenmenschen nicht geben", sagte der 61-jährige Theologe in Düsseldorf, wo am Donnerstag ein dreitägiger "Kongress christlicher Führungskräfte" beginnt. Ingo Lehnick sprach mit dem obersten Repräsentanten der zweitgrößten evangelischen Landeskirche in Deutschland auch über christliche Werte in der Wirtschaft und soziale Verantwortung.

 (DR)

epd: Der Kongress christlicher Führungskräfte diese Woche in Düsseldorf, an dem die rheinische Kirche beteiligt ist, steht unter der Überschrift «Mit Werten in Führung gehen». Was sind spezifisch christliche Werte für Unternehmer?
Schneider: Christliche Werte, auch solche für Unternehmer und Unternehmerinnen, erwachsen aus einem biblisch gegründeten Glauben; für uns Christen ist entscheidend, was Jesus uns in seinen Worten und Taten vorgelebt hat. Er hat in der Tradition seines jüdischen Glaubens alle Gebote und Weisungen Gottes in das Doppelgebot der Liebe zusammengefasst: Du sollst Gott lieben mit aller deiner Kraft und deinen Nächsten wie dich selbst. Darin sind alle Werte für uns Christenmenschen verankert.

Ökonomischer Erfolg muss deshalb verbunden werden mit lebensdienlichen Zielen für unsere Nächsten. Daraus ergibt sich, dass wirtschaftlicher Wettbewerb nicht zum «Kalten Krieg» degenerieren darf. Das knallharte Verfolgen der eigenen Interessen oder die rücksichtslose Durchsetzung eigener Ziele passen zum Handeln auf der Grundlage christlicher Werte nicht.

epd: Kann man in einer modernen Industriegesellschaft nach biblischen Grundlagen wirtschaften - und wie verträgt sich das mit dem Gewinnstreben unserer Wirtschaftsordnung?
Schneider: Biblische Grundeinsichten über den Menschen und die Voraussetzungen für ein gerechtes und friedliches Zusammenleben müssen natürlich auf die Bedingungen modernen Wirtschaftens angewendet werden. Aber die Grundstrukturen des Menschen und die daraus resultierenden Probleme haben sich nicht geändert: Gier und Rücksichtslosigkeit sind in allen Menschen angelegt. Deshalb ist der Glaube auch so etwas wie eine Sozialisierungshilfe, damit wir Menschen immer wieder neu zu Menschen werden, wie Gott sie gemeint hat.

Nüchterne Selbsterkenntnis und Gottes gute Gebote tun auch dem modernen Wirtschaften gut. Gewinn um jeden Preis kann es deshalb für Christenmenschen nicht geben. Das Gewinnstreben muss also menschen- und umweltverträglich sein. Denn zum Bebauen und Bewahren hat uns Gott seine Schöpfung anvertraut, nicht zum Ausbeuten und Zerstören.

epd: Sind christliche Unternehmer besser als andere?

Schneider: Das kommt auf die Definition von «gut» an.
Christenmenschen sind nicht automatisch ideenreicher, kreativer oder fleißiger als Menschen anderen Glaubens oder ohne jeglichen Glauben. Eines aber müssen sie aufgrund ihres Glaubens auf jeden Fall sein: leidenschaftliche Anwälte für Gottes Schöpfung und seine Geschöpfe. Und solches Engagement wird ein Segen für alle Menschen sein.

epd: Sie haben die Wirtschaft wiederholt zu sozialer Verantwortung gemahnt. Was heißt das konkret angesichts der aktuellen Finanz- und Wirtschaftskrise mit ständig neuen Schreckensmeldungen über Firmenpleiten und den Verlust von Arbeitsplätzen?
Schneider: Zunächst bedeutet es, die Krise nicht durch panisches Verhalten zu verschärfen. Gott bleibt auch in der Krise der Herr unseres ganzen Lebens. Diese Gewissheit sollte zu einer grundsätzlichen Gelassenheit führen. Dann muss christliches Handeln immer daran erkennbar sein, dass Menschen wichtiger als Kapital sind, ihre Lebensinteressen müssen denen einer Sache, insbesondere des «toten Kapitals», vorgeordnet werden. Schließlich darf es kein Flüchten ins Private geben. Für christliche Führungskräfte gehört es zu ihrer Verantwortung vor Gott, dass sie sich für verantwortliche Wege aus der Krise stark machen.