Rheinischer Merkur 10.06.2010

David gegen Goliath

Medienarbeit im Weinberg des Herrn: Seit zehn Jahren ist das Erzbistum Köln auf Sendung.
Fragen an Chefredakteur Ingo Brüggenjürgen.

Chefredakteur Ingo Brüggenjürgen (DR)
Chefredakteur Ingo Brüggenjürgen / ( DR )

Rheinischer Merkur: Welchen Auftrag hat das katholische Domradio?



Ingo Brüggenjürgen: Wir versuchen die christliche Botschaft in den tagesaktuellen Dialog einzubringen. Andere kirchliche Medien kommen leider oft erst eine Woche oder später mit ihrer Einordnung zum Zuge. In der schnellen Informations- und Medienwelt ist das oft zu spät. Wir stoßen da in eine große Lücke. Wenn zum Beispiel in Afghanistan ein Anschlag verübt wurde, hört und sieht man das überall. Der Militärgeistliche, der von den Sorgen und Nöten der Soldaten und ihrer Angehörigen berichtet, kommt in der Regel aber nur bei uns zu Wort. Ein Radio mit angeschlossener Internet-Plattform ist generell ein optimales Medium, um die Fülle der christlichen Stimmen aktuell zu verstärken und in die Gesellschaft zu bringen. Kirchliche Verantwortliche und Entscheidungsträger mögen nicht immer chatten oder bloggen können - telefonieren können sie. Und um die nötige mediale Aufbereitung kümmern wir uns: von der Textmeldung über den richtigen O-Ton im Radio bis hin - das machen wir inzwischen auch - zu unseren täglichen Videonachrichten im Internet.



RM: Können Sie den typischen Domradio-Hörer beschreiben?



Brüggenjürgen: Das ist ein breites Spektrum. Im Krankenhaus oder Seniorenheim freut man sich über unsere Laudes, die Komplet oder unsere Gottesdienstübertragungen in Bild und Ton. Tausende, zumeist Jugendliche, nutzten unsere Podcast-Angebote, die Live-Übertragungen aus Taizé zum Beispiel, und wieder andere Christen, die still und effektiv in der Gemeindearbeit engagiert sind, schätzen unseren Newsticker und unsere aktuellen Berichte aus dem Bereich von Kirche und Gesellschaft.



RM: Haben Sie jemals befürchtet, dass der Sender sich langfristig nicht über Wasser halten würde, weil er sich auf dem Radiomarkt beim Publikum nicht behaupten könnte? Wie ist die finanzielle Absicherung?



Brüggenjürgen: Wer ständig nach dem Wind schaut, kommt nach biblischer Erfahrung nie zum Säen - und wer die Hand an den Pflug legt und zurückschaut, taugt bekanntlich nicht für das Gottesreich. Nein, wir sind hier alle mit viel Begeisterung und Freude ans Werk gegangen. Wenn wir spät am Abend unsere Probleme mit den Sendecomputern hatten, haben wir in die benachbarten hell erleuchteten Sendestudios des WDR geschielt und uns Mut zugesprochen und gesagt, okay, was die können, schaffen wir auch. Nur dass wir immer in der Rolle Davids gegen Goliath waren und bis heute - auch im Hinblick auf die großen privaten Medienmogule - immer noch in dieser Rolle sind.

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Man hat uns acht Jahre lang keine UKW-Frequenz zugesprochen - und dann auch nur nach langem Hin und Her eine bescheidene 30-Watt-Innenstadtfrequenz in Köln, die unter jeder Brücke ihren Geist aufgibt. So aber haben wir viel früher als andere das Internet für uns entdeckt und aus der Not eine Tugend gemacht. Aus dem überhörbaren Bistumssender Domradio wurde schnell Domradio.de - eine mehrmediale Plattform, die bei deutschsprachigen Christen in aller Welt auf offene Ohren stößt.



RM: Die Frage nach dem Budget haben Sie noch nicht beantwortet …



Brüggenjürgen: Kennen Sie einen Chefredakteur, der mit seinem Finanzrahmen voll zufrieden und glücklich ist? Aber da gibt es nichts zu verheimlichen: Unser Träger, das Bildungswerk der Erzdiözese Köln, investiert Jahr für Jahr zirka zwei Millionen Euro in die Verbreitung der Frohen Botschaft. Wenn man bedenkt, dass heute 90 Prozent der Kirchensteuerzahler unsere Gottesdienste oder andere kirchliche Angebote nur noch sehr selten nutzen, sind die Kirchensteuergelder mit unserem offenen und barrierefreien Medienangebot doch hervorragend angelegt. Domradio, der "gute Draht nach oben", funktioniert weltweit 365 Tage im Jahr, 24 Stunden am Tag. Unser Programm wird neben UKW in ganz Nordrhein-Westfalen im Kabelnetz verbreitet und ist europaweit über das Astra-Satellitensystem zu hören. Unsere Medienarbeit im Weinberg des Herrn kann jeder Kirchensteuerzahler tagesaktuell überprüfen!



RM: Die Missbrauchsdebatte ist derzeit das dominante Thema im Zusammenhang mit der katholischen Kirche. Wie geht Domradio damit journalistisch um?



Brüggenjürgen: Nicht nur bei diesem Thema haben wir uns hier im Domradio immer sehr um Klarheit und Wahrheit bemüht. Die richtigen Richtlinien für den Umgang mit diesem Thema hat ja auch nicht die Deutsche Bischofskonferenz erfunden - die steht für alle nachzulesen schon in der Bibel: Markus 9,42. Wir haben auch schon vor den Fällen im Canisiuskolleg in Berlin über das Thema Missbrauch berichtet, und deshalb blenden wir gerade hier überhaupt nichts aus. Wenn die Fernsehkollegen von Phoenix oder n-tv uns bei diesem Thema als Experten in ihre Studios einladen, können wir da nicht ganz falsch liegen.



RM: Wie fällt Ihre Bilanz nach zehn Jahren aus?



Brüggenjürgen: Wir sind in den zehn Jahren mit Gottes Hilfe, mit mutigen kirchlichen Entscheidungsträgern und sehr engagierten Mitarbeitern bestens aus den Startlöchern gekommen und gut unterwegs. Als Marathonläufer aber weiß ich: Das Ziel ist noch lange nicht erreicht. Wir haben inzwischen aber die nötige Routine, Erfahrung und immer noch den nötigen Mumm in den Knochen, um auch weiterhin gut im Rennen zu bleiben.



Internet: www.domradio.de

Die Fragen stellten Dieter Anschlagund Volker Nünning

© Rheinischer Merkur Nr.23,10.06.2010