Rentnerin engagiert sich in Kölner Justizvollzugsanstalt

Ein Stück Herz hinter Gittern

Ehrenamtliche Arbeit einmal anders: "Kaffeeklatsch" nennt die Rentnerin Renate Metzler ihr Gesprächsangebot für Männer zwischen Jugend und Ruhestand. Themen für den Klatsch gibt es genug, denn bei der Gruppe handelt es sich um Gefangene.

Renate Metzler / © Marcel Krombusch (DR)
Renate Metzler / © Marcel Krombusch ( DR )

Renate Metzler ist eine von rund 50 Ehrenamtlichen, die sich in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Köln-Ossendorf engagieren. "Ich bin keine Sozialarbeiterin und keine Vertreterin von Justiz oder Kirche – ich komme einfach von Draußen", erzählt die 72-Jährige. Ihre erste Berührung mit der Welt hinter Stahltür und Gefängnismauer hatte sie durch einen Inhaftierungs-Fall in ihrem Bekanntenkreis. "Danach fand ich, dass man sich dort engagieren sollte", blickt die Rentnerin zurück. In der Zeitung fand sie eine Anzeige der "Straffälligenhilfe" und meldete sich dort als Ehrenamtliche.

Alltag ins Gefängnis bringen

Das Sozialprojekt besteht seit 1996, Organisatoren sind der Sozialdienst katholischer Männer (SKM) und der Sozialdienst katholischer Frauen (SkF) in Köln. "Es ist wichtig, dass Menschen den Alltag ins Gefängnis bringen und so den Gefangenen zeigen, dass es im Leben mehr gibt als Probleme und Knast", betont Maria Baum, Leiterin der Straffälligenhilfe des SkF.

Renate Metzler gehört inzwischen seit 19 Jahren zum Kreis der Ehrenamtlichen und pendelt seither regelmäßig vom befreiten Leben als Ruheständlerin in die abgeschottete Welt der JVA Köln-Ossendorf. Den Unterschied macht für sie besonders ein Geräusch. "Die Routine dort - aufschließen, Tür zu, zuschließen -  ist immer verbunden mit diesem Schlüsselgeräusch. Das fand ich am Anfang ganz furchtbar".

Ein bis zwei Stunde hat sie pro Woche für ihren "Kaffeeklatsch" mit den Inhaftierten. Bei Kuchen und Heißgetränk kommen verschiedenste Themen auf den Tisch – von persönlich bis politisch. So bleibt den Gefangenen - trotz fünf Meter hohen Gefängnismauern – die aktuelle Weltpolitik nicht verborgen. "Da sind Türken, da sind Kurden, da sind kurdische Syrer, da sind Russen – und manch einer von denen macht sich auch Gedanken über diese Welt", schildert Renate Metzler und lacht.

Viele Insassen hat die Rentnerin in den Jahren kennengelernt, nicht jede Begegnung konnte sie hinter den stählernen Sicherheitstüren lassen. "Einmal traf ich dort eine junge Frau aus guter Familie. Sie ist aus Gründen, die sie nie erzählen wollte, in die rechtsradikale Szene abgerutscht, hat sich dort Schlachten geliefert und ist ins Gefängnis gekommen.", erzählt Metzler und fügt hinzu: "Das ist für mich bis heute schwer zu verstehen, denn die Frau war immer sehr höflich und freundlich".

Trotz Erfahrungen wie dieser hatte Renate Metzler nie den Anspruch, Menschen zu ändern. Vielmehr sollten die Begegnung und der Austausch im Mittelpunkt stehen. "Man lernt, sehr niederschwellig zu denken. Ich wollte den Menschen einfach Abwechslung bringen, mehr Anspruch hatte ich nicht".

Ehrenamtliche gehören zum Herzstück der Anstalt

Ein unschätzbares Angebot für Menschen, deren Alltag weitestgehend von der Einsamkeit einer kleinen Zelle geprägt ist. Neben Gesprächsangeboten wie dem "Kaffeklatsch" bieten die Ehrenamtlichen von SkF und SKM auch Nachhilfe, Bastelkurse oder Gitarrenunterricht an. Die Freizeitangebote werden in der JVA Ossendorf viel genutzt und hoch geschätzt. "Die Ehrenamtlichen gehören zum Herzstück unserer Haftanstalt", betont Stefan Unland, der Leiter des Sozialdienstes in der JVA Ossendorf.

Wer sich im Gefängnis engagieren will, der muss zunächst einen 42-stündigen Kurs absolvieren - die Vorbereitung für ein Ehrenamt mit besonderen Anforderungen. Renate Metzler wird auch weiterhin alle zwei Wochen zum Kaffee in den Knast kommen und mit den Gefangenen über Gott und die Welt reden. Bei aller Freude im Austausch mit den Gefangenen – für sie bleibt das Gefängnis eine abgeschlossene Welt, deren Erfolgsgeschichten nur leise daher kommen: "Diejenigen, die es wieder ins normale Leben schaffen, von denen hört man nichts mehr. Die wollen dieses Kapitel endgültig abschließen".


Quelle:
DR