Religionsvertreter zur Bundestagswahl

Erfolg für die Demokratie?

Für die SPD und CDU gab es bei dieser Wahl jeweils ein historisch schlechtes Ergebnis. Als Regierungskoalition wird ein Bündnis aus Union, FDP und Grünen gehandelt. Die AfD ist drittstärkste Kraft. Was sagen Kirchenvertreter dazu?

Die SPD will in die Opposition / © Christian Charisius (dpa)
Die SPD will in die Opposition / © Christian Charisius ( dpa )

"Diese Wahl ist ein Erfolg der Demokraten in Deutschland", so reagierte Erzbischof Stefan Heße auf die ersten Hochrechnungen zur Bundestagswahl 2017. Die hohe Wahlbeteiligung von mehr als 70 Prozent zeige, dass die Verfassung der deutschen Demokratie solide sei.

"Ich hoffe für die neue Legislaturperiode auf eine gute und konstruktive politische Kultur", so Heße. Wichtig sei nun, dass es in den anstehenden Parteiengesprächen gelinge, auch eine stabile und handlungsfähige Regierung zu bilden. Der Erzbischof von Hamburg wünsche sich eine Regierung, "die die Zukunftsthemen unseres Landes mutig angeht. Aus meiner christlichen Perspektive müssen soziale Gerechtigkeit und die Integration der Menschen, die zu uns kommen, einen festen Platz auf der politischen Agenda haben."

Zentralrat der Juden sieht Bundestag vor großer Herausforderung 

Der Zentralrat der Juden in Deutschland sieht den Bundestag angesichts des Wahlergebnisses für die AfD vor der größten demokratischen Herausforderung seit 1949. "Leider sind unsere Befürchtungen wahr geworden: Eine Partei, die rechtsextremes Gedankengut in ihren Reihen duldet und gegen Minderheiten in unserem Land hetzt, ist jetzt nicht nur in fast allen Länderparlamenten, sondern auch im Bundestag vertreten", erklärte Zentralrats-Präsident Josef Schuster am Sonntagabend in Berlin.

"Ich erwarte von unseren demokratischen Kräften, dass sie das wahre Gesicht der AfD enthüllen und die leeren, populistischen Versprechen der Partei entlarven", so Schuster weiter. "Ein Ziel sollte alle demokratischen Parteien vereinen: Den Wählern zu verdeutlichen, dass die AfD keine Alternative ist, damit sie dort landet, wo sie hingehört - unter der Fünf-Prozent-Hürde!"

Knobloch: AfD-Ergebnis ist ein "Alptraum"

Die ehemalige Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland, Charlotte Knobloch, nennt das starke Abschneiden der AfD bei der Bundestagswahl einen "wahr gewordenen Alptraum". "Erstmals wird eine rechtsextreme Partei fraktionsstark im Bundestag vertreten sein", sagte Kobloch am Sonntagabend in München. Ersten Hochrechnungen zufolge hat mehr als jeder zehnte Wähler am Sonntag für die AfD gestimmt.

Mit der AfD zögen unter anderem Ausgrenzung, völkischer Nationalismus, Holocaust-Leugnung, Antisemitismus, und Religionsfeindlichkeit in den Bundestag ein. "Parteiprogramm und Kandidatenlisten zeigen: Sie sind wieder da, die Ungeister, die Hass und Verachtung schüren", sagte die 84 Jahre alte Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, die im Jüdischen Weltkongress als Beauftragte für das Gedenken an den Holocaust fungiert.

Erschrecken und Entsetzten über Ergebnis für die AfD

Der Präsident des Jüdischen Weltkongresses, Ronald S. Lauder, erklärte in New York, es sei "abscheulich", dass die AfD nun die Möglichkeit habe, im deutschen Parlament ihr "widerwärtiges" Programm anzupreisen. Er bezeichnete die Partei als "schändliche, rückschrittliche Bewegung, die das Schlimmste der deutschen Vergangenheit in Erinnerung ruft und geächtet werden sollte". Zugleich gratulierte er Angela Merkel (CDU), eine "wahre Freundin Israels und des jüdischen Volkes". Die CDU/CSU war stärkste Kraft geworden.

Der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (Zdk), Thomas Sternberg, sprach von einem "bitteren Abend" und ergänzte: "Man muss bedenken, wir sind in einem europäischen Gleichschritt: In fast allen Ländern gibt es solch rechtsradikale Parteien. Es bleibt festzustellen: 87 Prozent der Deutschen haben die AfD nicht gewählt."

Koalition für offenes, soziales und gerechtes Deutschland?

Der Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, Manfred Rekowski, erklärte: "Wir brauchen jenseits von Klientelinteressen eine Koalition für ein offenes, soziales und gerechtes Deutschland, in dem Nächstenliebe und Mitmenschlichkeit mehr zählen als Ausgrenzung und Angstmache."

Der Bundesvorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Gökay Sofuoglu, forderte: "Wir müssen deutlich machen, dass eine vielfältige und offene Gesellschaft keine Belastung ist, die durch Zuwanderung entsteht, sondern vielmehr eine Chance, um überkommene Verfahrensweisen und Systeme mutig zu überdenken und Chancengleichheit aller in Deutschland lebenden Menschen zu ermöglichen."


Erzbischof Stefan Heße / © Marcus Brandt (dpa)
Erzbischof Stefan Heße / © Marcus Brandt ( dpa )

Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland / © Horst Ossinger (dpa)
Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland / © Horst Ossinger ( dpa )

Charlotte Knobloch / © Peter Kneffel (dpa)
Charlotte Knobloch / © Peter Kneffel ( dpa )

WJC-Präsident Ronald S. Lauder (dpa)
WJC-Präsident Ronald S. Lauder / ( dpa )

Thomas Sternberg / © Markus Nowak (KNA)
Thomas Sternberg / © Markus Nowak ( KNA )

Manfred Rekowski / © Thomas Frey (dpa)
Manfred Rekowski / © Thomas Frey ( dpa )

Gökay Sofuoglu, Bundesvorsitzende der TGD  / © Gregor Fischer (dpa)
Gökay Sofuoglu, Bundesvorsitzende der TGD / © Gregor Fischer ( dpa )
Quelle:
DR