Religionssoziologe fordert Respekt vor Tanzverbot an Karfreitag

"Es geht um friedliches Zusammenleben"

Weniger als die Hälfte der Deutschen ist noch kirchlich gebunden, dennoch gelten an Karfreitag christlich geprägte Verbote. Wie Weihnachten gehörten stille Feiertage zum kulturellen Erbe, findet Religionssoziologe Detlef Pollack.

Religionssoziologe Detlef Pollack (WWU – MünsterVIEW)

Der Religionssoziologe Detlef Pollack hält das Tanzverbot an Karfreitag noch für zeitgemäß. "Ich finde es richtig, die Ruhe dieses Tages zu respektieren. Es ist, glaube ich, keine allzu große Zumutung, an diesem einen Tag auf Tanz und laute Musik zu verzichten", sagte der Wissenschaftler von der Universität Münster der Deutschen Presse-Agentur. "Meine Position ist: Man sollte das Tanzverbot nicht durchsetzen, aber man sollte es auch nicht verletzen."

Sonn- und Feiertage sind in Deutschland als "Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung" durch das Grundgesetz geschützt. Daher bleiben beispielsweise Geschäfte geschlossen. Eine besondere Variante sind die sogenannten stillen Feiertage wie der Karfreitag. An diesen Tagen können je nach Region Tanz, Musik und bestimmte Filme im Kino untersagt sein. Was genau an Karfreitag verboten ist, definieren die Gesetze der jeweiligen Bundesländer.

Experte: Niemand muss sich unterdrückt fühlen

Professor Pollack sagte, die entscheidende Frage sei für ihn, wie Religionsangehörige und Konfessionslose miteinander umgingen. "Man kann sagen: Warum sollten wir uns an religiös bestimmte Vorschriften halten, die wir für uns selber gar nicht akzeptieren? Aber ich würde sagen, die Frage ist hier eben auch, wie viel Achtung und Respekt man gegenüber dem Andersdenkenden aufzubringen bereit ist."

Ohne Zweifel hätten die Kirchen über Jahrhunderte hinweg sehr viel Kontrolle ausgeübt. "Aber heute leben wir wirklich in einer um 180 Grad gedrehten Gesellschaft. Die christlichen Kirchen treten jetzt nicht mehr als Herrschaftsinstitutionen auf. Und sie versuchen auch nicht, das Tanzverbot mit Zwangsmitteln durchzusetzen."

Es müsse sich deshalb niemand unterdrückt fühlen. "Alles, worum es hier geht, ist, wie das friedliche Zusammenleben von Menschen mit unterschiedlichen religiösen und weltanschaulichen Überzeugungen garantiert werden kann. In dem Moment, in dem die Verletzung des Tanzverbots als Provokation inszeniert wird, muss der Staat das Recht haben, einzugreifen, weil in einem solchen Fall das friedliche Zusammenleben der Bürger gefährdet sein kann."

Der Karfreitag gehört zum christlichen Erbe wie Weihnachten

Man müsse auch bedenken, dass immerhin noch etwa 40 Millionen Menschen in Deutschland Mitglied in einer der beiden großen christlichen Kirchen seien. In Bundesländern wie Bayern und Baden-Württemberg gehöre noch immer die Mehrheit der Kirche an. Die Organisationen, die das Tanzverbot durchbrechen wollten, etwa der religionskritische Bund für Geistesfreiheit (bfg), kämen dagegen nur auf einige 10.000 Mitglieder.

Im Übrigen sei das kulturelle Erbe des Christentums trotz stark sinkender Mitgliederzahlen der Kirchen weiter präsent. "Denken wir nur an den Sonntag, an dem wir nicht arbeiten, oder an Feste wie Ostern und Weihnachten, die von fast allen gefeiert werden. Nun könnte man sagen, das sind alles Relikte, mit denen sich viele Menschen emotional nicht mehr verbunden fühlen." Der Religionssoziologe ergänzte: "Das mag sein. Gleichwohl prägt dieses Erbe weiterhin unsere Kultur. Und der Karfreitag gehört in dieses kulturelle Erbe hinein."

Interreligiöser Dialog

Der interreligiöse Dialog ist der katholischen Kirche ein wichtiges Anliegen. Sie versteht darunter alle positiven Beziehungen mit Personen und Gemeinschaften anderen Glaubens, um sich gegenseitig zu verstehen und einander zu bereichern. Im Dialog geben die Gläubigen Zeugnis von der Wahrheit ihres Glaubens im Respekt vor der religiösen Überzeugung des Anderen. So gehören Dialog und Verkündigung zusammen.

Der interreligiöse Dialog wird auf unterschiedlichen Ebenen vollzogen:

Symbolbild: Interreligiöser Dialog / © godongphoto (shutterstock)
Symbolbild: Interreligiöser Dialog / © godongphoto ( shutterstock )
Quelle:
dpa