Religions-Renaissance in den Bestsellerlisten

Zwischen Gotteswahn und Jesus

Fallende Aktien für das Papstbuch "Jesus von Nazareth". Gleichzeitig stürmt die anti-religiöse Streitschrift des Evolutionsbiologen Richard Dawkins "Der Gotteswahn" in Richtung Tabellenspitze der Spiegel-Bestsellerliste. Eine Trendwende?

 (DR)

Gewagtes Projekt: Verlag der Weltreligionen
Mehr als 50.000 verkaufte Bücher in nur vier Wochen, freut sich Ullstein-Verlagsmanager Klaus Füreder auf der Frankfurter Buchmesse. Am Montag dürfte das in den USA und Großbritannien so erfolgreiche Buch von Platz drei auf Platz zwei vorrücken.

Offenbar erleben Bücher, die sich mit Religion beschäftigen, beim deutschen Leser eine Renaissance. Allein sieben der 20 Titel in der aktuellen Spiegel-Bestsellerliste gehören zu diesem Themenkreis. Das Spektrum reicht von Dawkins über Hape Kerkelings besinnlich-lustigen Pilgerbericht "Ich bin dann mal weg", das spirituelle "Buch der Antworten" von Pater Anselm Grün bis hin zu den Aufzeichnungen der Glaubenszweifel von Mutter Teresa und dem zweiten Teil der Memoiren des papstkritischen Theologen Hans Küng.

Den Stellenwert des Themas belegt auch ein gewagtes Projekt der Suhrkamp-Chefin Ulla Unseld-Berkewicz: Sie stellte im Vorfeld der Buchmesse ihren neuen "Verlag der Weltreligionen" (VDWR) vor, der die Basistexte der unterschiedlichsten Religionen wieder neu zugänglich machen will. Das Programm ist äußerst anspruchsvoll und präsentiert im ersten Anlauf gleich 17 Bände über Hinduismus, Buddhismus, Judentum, Islam und Christentum. Dazu gehört eine Edition der Aussprüche des Propheten Mohammed, eine Einführung in den Buddhismus, Essays vom Philosophen Peter Sloterdijk und dem Soziologen Ulrich Beck und Taschenbücher wie zum Beispiel das Hohelied Salomos.

Warum so viel verlegerischer Mut? Für Suhrkamp ist die Gründung schlicht "eine politische Notwendigkeit". Drei Gründe nennen die Verantwortlichen: den Schrecken über den aufkeimenden Fundamentalismus, die Globalisierung, "durch die wir ständig auf Kulturen treffen, die wir weder kennen noch verstehen", und die Erkenntnis, "dass sich trotz der Aufklärung unsere Welt noch immer nicht vernünftig erklären lässt".

"Dieser Bereich wächst ständig"
Der große Erfolg von Dawkins anti-religiöser Streitschrift über den Gotteswahn ist dabei nur die Kehrseite der gleichen Medaille. Ullstein-Manager Füreder beobachtet schon seit Jahren ein wachsendes Interesse an Sinnfragen, der Wertediskussion und an Fragen aus dem Grenzbereich zwischen Naturwissenschaften und Philosophie und Theologie. "Dieser Bereich wächst ständig", sagt er und analysiert: "Vielleicht ist unsere Zeit wieder ein wenig nachdenklicher und politischer als die 90er-Jahre." Davon allerdings profitiere nicht nur das Christentum, sondern das ganze Spektrum der Religionen bis hin zur Esoterik.

Dawkins Erfolg dürfte nicht zuletzt eine Reaktion auf die in den USA stark polarisierte Debatte über Darwins Evolutionstheorie und das "Intelligente Design" sein. Dabei geht es um die Frage, wie weit die Evolution einem göttlichen Plan folgt. Der Biologe aus Oxford argumentiert, dass die Religion zwar im Prozess der Evolution eine sinnvolle Funktion erfüllt habe, nun aber nur noch eine Gefahr für die Menschheit darstelle. Er verweist dabei auf die Verflechtung von Religion und Gewalt, etwa bei den Kreuzzügen oder beim 11. September 2001.

Von KNA-Redakteur Christoph Arens