Religion in den USA ein Jahr nach Donald Trumps Wiederwahl

Trump, Gott und die Nation

Christlicher Nationalismus ist in den Vereinigten Staaten auf dem Vormarsch. Trumps zweite Amtszeit rückt Religion und Macht gefährlich nah zusammen. Theologen warnen vor einer Aushöhlung der Verfassung und wachsender Polarisierung.

Autor/in:
Benedikt Heider
Donald Trump will als neuer US-Präsident schnell Fakten schaffen / © Evan Vucci (dpa)
Donald Trump will als neuer US-Präsident schnell Fakten schaffen / © Evan Vucci ( dpa )

"Make America great again" - und das am liebsten mit göttlichem Beistand. Schon die Amtseinführung Donald Trumps im Januar 2025 war durchdrungen von religiösen Symbolen und einem fast messianischen Heilsversprechen, das sich in seiner Person zu erfüllen schien. Zum Jahrestag seiner Wiederwahl haben USA-Experten für die Katholische Nachrichten-Agentur (KNA) die religiös-politische Lage des Landes analysiert.

Massimo Faggioli (privat)
Massimo Faggioli / ( privat )

Der Theologe Massimo Faggioli, Professor am Trinity College in Dublin, beobachtet eine deutliche Zunahme des christlichen Nationalismus. Ziel der US-Regierung sei es, dem Christentum wieder eine zentrale Rolle im Selbstverständnis der Vereinigten Staaten zu geben.

Christliche Kommission zur Religionsfreiheit

Um dieses Ziel zu fördern, habe Trump eine präsidiale Kommission zur Religionsfreiheit eingerichtet, erläutert die in den USA lehrende Ethikerin Hille Haker: "Diese Kommission ist vor allem mit christlichen Mitgliedern bestückt. Ihre dezidierte Aufgabe ist es, die Trennung von Staat und Kirche auf der politisch-rechtlichen Ebene zu überprüfen - und wenn möglich zurückzunehmen."

Religionsfreiheit werde von der Regierung, so Haker, vor allem als Förderung des Christentums verstanden. "Was diese Werte sind, erschließt sich aus der Opposition zu liberalen Gesetzen: Ablehnung von gleichgeschlechtlichen Ehen, Verhütungsmitteln und Schwangerschaftsabbrüchen." 

Bei seiner Amtseinführung 2017 legte Trump die Hand auf die Bibel / © Andrew Harnik (dpa)
Bei seiner Amtseinführung 2017 legte Trump die Hand auf die Bibel / © Andrew Harnik ( dpa )

Zu diesem Christianisierungsprogramm gehörten auch die Stärkung traditioneller Familienbilder sowie die Ablehnung von mehr Rechten für Frauen und sexuelle Minderheiten. Die starke christliche Färbung der US-Politik hält Haker für unvereinbar mit der US-Verfassung: "Die Verfassung schützt nämlich nicht eine Religion, sondern alle Religionen".

Spaltung in Kirche und Gesellschaft

Trotz der Bevorzugung des Christlichen verstärkte sich im vergangenen Jahr innerhalb der katholischen Kirche die Spaltung. Der österreichische Theologe und USA-Kenner Andreas Weiß sieht darin ein Spiegelbild der gesamten Gesellschaft. Die sozialen, regionalen und ideologischen Bruchlinien der USA verliefen auch quer durch die Kirche.

Während viele US-Bischöfe Unmut wegen Trumps restriktiver Migrationspolitik äußern, zeigen sich andere bei sexualethischen Themen wie Gender und Abtreibung durchaus auf Regierungslinie. Ein Vorstoß der US-Regierung in Sachen In-Vitro-Fertilisation sorgte im Oktober jedoch für Unmut bei konservativen US-Bischöfen, die sonst gerne die Nähe zu Trump suchen. Für die Bischöfe werde es daher zunehmend schwieriger, eine gemeinsame Linie zu finden, sagt Weiß. Theologin Haker kommentiert mit Blick auf die Zerrissenheit der Kirchenleitung: "Die amerikanische Bischofskonferenz ist ein Totalausfall in der Opposition."

Eine Frau hält ein Schild mit der Aufschrift "Jesus fue Refugiado" (dt. Jesus war ein Flüchtling) bei einer Demonstration gegen den Autoritarismus und die Migrationspolitik der Regierung von US-Präsident Donald Trump / © Tobias Käufer (KNA)
Eine Frau hält ein Schild mit der Aufschrift "Jesus fue Refugiado" (dt. Jesus war ein Flüchtling) bei einer Demonstration gegen den Autoritarismus und die Migrationspolitik der Regierung von US-Präsident Donald Trump / © Tobias Käufer ( KNA )

Polarisierung zwischen Glaubensgemeinschaften und in Gemeinden

Weiß betont zudem, dass Trump nicht nur die katholische Kirche spalte, sondern auch andere christliche Gemeinschaften wie Methodisten, Lutheraner oder Presbyterianer. Der Präsident bringe durch seine Politik unterschiedliche Strömungen innerhalb dieser Kirchen gegeneinander auf und fördere zugleich die Bildung konfessionsübergreifender konservativer wie liberaler Allianzen.

Diese Polarisierung zeige sich schließlich auch auf Ebene der Gemeinden: "Ebenso wie die US-Gesellschaft insgesamt sind auch die Pfarrgemeinden gespalten. Ein Teil der Mitglieder favorisiert die Republikaner, der andere die Demokraten", sagt der Eichstätter Theologe Benjamin Dahlke. In dieser Situation zu predigen, sei eine Herausforderung, weiß Dahlke, der selbst Priester ist. In der Messe gesprochene Gebete und Predigten müssten sorgfältig bedacht werden: "Schließlich können sie das eine oder das andere Lager verärgern."

Angst vor Gottesdienstbesuch

Für viele Gläubige hat die Politik des Präsidenten unmittelbare Folgen für ihr Glaubensleben. "Viele illegal im Land lebende Latinos haben Angst, beim Kirchgang in eine Kontrolle der Einwanderungsbehörden zu geraten und folglich abgeschoben zu werden", berichtet Dahlke. Aus diesem Grund habe das Bistum San Bernardino in Kalifornien sogar die Sonntagspflicht ausgesetzt. 

Ein lächelnder Trump, ein ernster Papst  / © L'Osservatore Romano (dpa)
Ein lächelnder Trump, ein ernster Papst / © L'Osservatore Romano ( dpa )

Auch im Verhältnis zur Weltkirche zeigen sich Spannungen. Mit Papst Leo XIV., dem ersten aus den USA stammenden Papst, hat sich der Ton zwischen Washington und Rom zwar verändert, doch die Differenzen bleiben. "Papst Franziskus hatte geradezu eine Animosität gegenüber dem US-Präsidenten. Leo XIV. ist da viel zurückhaltender und kontrollierter im Auftreten", beobachtet Dahlke. Dennoch bleibe die Distanz spürbar.

Langfristig, warnt der Theologe, könnte die fortschreitende Verschmelzung von Religion und Politik eine Abkehr von der Religion in den USA bewirken: "Die aktuelle Politik könnte eine Gegenbewegung auslösen. Wie in Polen und Irland könnte es irgendwann einen Säkularisierungsschub geben."

Ein Jahr nach der Wiederwahl Trumps zeigt sich: US-Präsident Trump hat Religion und Politik enger denn je miteinander verwoben - und damit die Gräben in God's Own Country weiter vertieft.

Die katholische Kirche in den USA

Die römisch-katholische Kirche ist die größte Glaubensgemeinschaft der USA, denn die Protestanten teilen sich in verschiedene Konfessionen. Ein knappes Viertel der US-Amerikaner ist katholisch, die meisten Katholiken leben im Nordosten und im Südwesten. Genaue Zahlen sind schwierig, weil in den USA der Wechsel einer Konfession sehr häufig vorkommt.

Die katholische Kirche in den USA / © rawf8 (shutterstock)
Die katholische Kirche in den USA / © rawf8 ( shutterstock )
Quelle:
KNA