Reichspogromnacht

Stichwort

In der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 setzten die Nationalsozialisten mehr als 260 Synagogen in Deutschland in Brand, verwüsteten 7.500 jüdische Geschäfte und Wohnhäuser, ermordeten 91 Juden und misshandelten tausende von ihnen. Mindestens 26.000 Juden wurden in Konzentrationslager verschleppt.

 (DR)

Mit dem vom Volksmund ironisch als "Reichskristallnacht" bezeichneten Pogrom begann eine neue Phase der Verfolgung und Diskriminierung, die im Holocaust - der Deportation und Vernichtung von mehr als sechs Millionen Juden in Konzentrationslagern - endete. Der regimekritische Unterton der Bezeichnung "Reichskristallnacht", der eine reichsweite koordinierte Aktion unterstellt, wurde später nicht mehr verstanden. Der Begriff wurde im Nachhinein als beschönigend empfunden.

Nach den Novemberpogromen wurde den Juden eine "Sühneleistung" von einer Milliarde Reichsmark aufgebürdet. Weiter wurde ihre Ausschaltung aus dem deutschen Wirtschaftsleben, die Schließung aller jüdischen Geschäfts- und Handwerksbetriebe und der Ausschluss der jüdischen Kinder von öffentlichen Schulen in die Wege geleitet. Der Besuch von Theatern, Konzerten und Kinos wurde Juden verboten.

Die NSDAP deklarierte die Gewaltwelle als spontanen Akt des Volkszorns und als Reaktion auf die Ermordung des deutschen Diplomaten Ernst vom Rath in Paris durch den 17-jährigen Juden Herschel Grünspan. In Wirklichkeit war das Pogrom aber von der Parteiführung geplant und organisiert. Die Kirchen schwiegen weitgehend zu den Ausschreitungen und Morden. Zu den wenigen mutigen Kritikern zählte der Berliner Dompropst Bernhard Lichtenberg. Er lud am Tag nach der Pogromnacht zu einem Gottesdienst "für die verfolgten nicht-arischen Christen und für die Juden" ein.