Rechtspopulistische SVP geht als Favorit in die Wahlen in der Schweiz

Die Ängste der Eidgenossen

Die Schweizerische Volkspartei verspricht ihren Wählern, die "Masseneinwanderung" zu stoppen. Die schrille Kampagne gegen alles Fremde könnte der Truppe des Milliardärs Blocher bei den Parlamentswahlen am Sonntag einen weiteren Triumph bescheren.

Autor/in:
Jan Dirk Herbermann
 (DR)

Der weißhaarige Mann mit dem ausgebeulten grauen Anzug schlurft zum Rednerpult. Im Publikum herrscht Stille. Die Männer und Frauen in der Turmatthalle im Innerschweizer Ort Stans recken die Hälse, sie wollen den Mann sehen - und sie wollen seine Botschaft hören. Der Mann ist Christoph Blocher, der Anführer der rechtsnationalen Schweizerischen Volkspartei (SVP). Und heute Abend wird sich Blocher wieder über eines seiner Standardthemen auslassen: Die Gefahren der "Masseneinwanderung" für die Schweiz.



"Jetzt ist genug", ruft Blocher seinen Anhängern zu. Die Eidgenossen müssten den Andrang der Fremden "stoppen". Kopfnicken, Beifall, Jubel. Blochers Botschaft kommt an diesem kalten Oktoberabend in Stans an - sie kommt in der ganzen Schweiz an: Den letzten Umfragen zufolge kann die SVP bei den Parlamentswahlen am Sonntag mit Zugewinnen gegenüber den letzten Wahlen von 2007 rechnen - damals holte sie rund 30 Prozent.



Wie erklärt sich der Erfolg der SVP?

Die ausländerfeindliche Blocher-Partei dürfte auch ihre Position als stärkste Partei des Landes verteidigen. Die SVP verdoppelte die Zahl ihrer Sitze in der großen Parlamentskammer von 1995 (29 Sitze) bis 2007 (62 Sitze). "Europaweit muss man von einer einmaligen Entwicklung sprechen, keine andere Rechtspartei hat bei Wahlen kontinuierlich so zulegt", analysiert der Zürcher Politikwissenschaftler Michael Hermann.



Wie erklärt sich der Erfolg der SVP? "Eigentlich geht es den Schweizern gut, sie leben auf einer Wohlstandsinsel", erklärt Hermann. "Doch sie haben Angst etwas zu verlieren, sie haben Angst überrollt zu werden", fügt er hinzu.



Und genau diese Ängste werden von Blocher und seinen Parteifreunden immer wieder geschürt. Man warnt vor der "Überfremdung", vor dem grassierenden "Asylmissbrauch", vor den "ausländischen Kriminellen und Gewalttätern", dem "Jobklau durch Fremde" und "pöbelnden Wirtschaftsmigranten aus Nordafrika". Ihre Stimmungsmache gegen alles Fremde illustriert die SVP mit provokanten Plakaten: Dunkle Gestalten treten in Scharen auf ein rotes Feld, an dessen Rand ein weißes Kreuz prangt: Die Flagge Helvetiens.



Partei kann aus dem Vollen schöpfen

Im Kanton Schwyz lieferte die SVP in diesem Wahlkampf eine ganz besondere Kostprobe ihres Anti-Ausländer-Wahlkampfes: Die Parlamentskandidatin Judith Uebersax ließ ein erfundenes Schreiben an die Haushalte verteilen, das einen amtlichen Eindruck erweckte. In der "Verfügung zur Zwangseinquartierung" drohten die Behörden des Kantons Schwyz angeblich damit, dass Haushalte ab einer bestimmten Größe Migranten aufnehmen müssten. Nur so könne man dem Einwanderungsdruck standhalten.



Dank der Zuschüsse des Chemie-Milliardärs Blocher und anderer betuchter Schweizer kann die Partei wie keine zweite im Land aus dem Vollen schöpfen. Das ermöglicht ihr kostspielige Angstkampagnen, die bereits zu spektakulären Erfolgen führten: 2009 verfügten die Schweizer in einer Volksabstimmung ein Bauverbot für neue Minarette,

2010 stimmten sie für die Ausweisung von straffällig gewordenen Ausländern. Hinter beiden Volksinitiativen stand die SVP. "Die SVP verführt mit ihrer Hetze leider immer mehr Menschen, das ist sehr beängstigend", warnt der Genfer Soziologe Jean Ziegler.



Das nächste Ziel der rechtspopulistischen Parteien steht auch schon fest: Die Nationalkonservativen wollen die ohnehin schon strenge Ausländerpolitik weiter verschärfen. So sollen der Zuzug von Migranten noch stärker begrenzt und sogenannte Kontingente eingeführt werden. Nur so, versichert Blocher, sei sichergestellt, dass "wir uns nicht fremd im eigenen Land fühlen müssen".



Empört verweisen Blocher und seine Helfer immer wieder auf die Ausländerstatistik: Derzeit beträgt der Anteil der Nichtschweizer laut Bundesamt für Statistik 22,3 Prozent. Damit weist die Schweiz eine der höchsten Ausländerquoten Europas auf. Was die SVP aber nicht sagt: Die extrem langwierigen, komplizierten und teuren Einbürgerungsverfahren schrecken viele Fremde ab, den roten Pass mit dem weißen Kreuz zu beantragen.