Rechtsanwalt ordnet Hausdurchsuchung bei Kardinal Woelki ein

"Vor dem Gesetz sind wir alle gleich"

Im Rahmen von Ermittlungen gegen den Kölner Erzbischof wurde am Dienstagmorgen unter anderem das Bischofshaus durchsucht. Hat ein Bischof Immunität? Besteht wirklich die Möglichkeit einer Haftstrafe? Der Anwalt Cornel Hüsch ordnet ein.

Köln: Autos stehen am Wohnsitz vom Kölner Erzbischof Rainer Maria Woelki / © Vincent Kempf (dpa)
Köln: Autos stehen am Wohnsitz vom Kölner Erzbischof Rainer Maria Woelki / © Vincent Kempf ( dpa )

DOMRADIO.DE: Die Staatsanwaltschaft und das Erzbistum Köln sprechen von einem ergebnisoffenen Prozess. Es gehe um einen Anfangsverdacht, wo nun belastende und entlastende Fakten gesucht werden. Wie haltbar muss denn dieser Anfangsverdacht sein, dass es direkt zu einer Hausdurchsuchung kommt?

Cornel Hüsch (privat)

Cornel Hüsch (Rechtsanwalt und langjähriges Mitglied verschiedener Gremien im Erzbistum Köln): Richtig ist, dass die Hausdurchsuchung Teil des staatsanwaltschaftlichen Handwerkszeugs im Rahmen von Ermittlungen ist. Es ist auch keineswegs so selten, wie man denkt. Es wird häufiger durchsucht, als das oft gemeint wird. Aber es bedarf immer eines richterlichen Beschluss, es sei denn, es ist Gefahr im Verzuge.

Der Richter prüft, ob ein Anfangsverdacht vorliegt, ob hinreichende Tatsachen erkennbar sind, bei deren Vorliegen eine strafbare Handlung möglich ist und diese verwirklicht sein kann. Das staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren dient aber immer gleichzeitig auch dem Nachweis von Schuld und Unschuld, sodass es insofern tatsächlich ergebnisoffen ist, als dass auch entlastende Beweise nicht nur gesucht werden, sondern danach auch verwendet werden.

Cornel Hüsch

"Das Verfahren dient immer gleichzeitig dem Nachweis von Schuld und Unschuld."

DOMRADIO.DE: Sie verwenden den Begriff Hausdurchsuchung. Medien sprechen von Razzia. Kann man diesen Begriff denn verwenden?

Hüsch: Razzia ist ein umgangssprachlicher Begriff, er findet sich im Gesetz nicht. Das Gesetz spricht ausschließlich nur von Durchsuchungen von Wohnungen und Geschäftsräumen. Insofern ist Razzia ein bisschen reißerischer als Hausdurchsuchung und beschreibt sonst schon mal die Durchsuchung von mehreren Räumen und Orten gleichzeitig mit größerem Polizeieinsatz. Aber rechtstechnisch ist das kein gängiger und justiziabler Begriff.

DOMRADIO.DE: Der rechtliche Hintergrund ist Paragraf 156 im Strafgesetzbuch, wo es um Falschaussage unter Eid, also Meineid, geht. Wie dramatisch ist so ein Meineid, wenn er nachgewiesen wird? Wie oft folgen darauf wirklich Konsequenzen, wie zum Beispiel die Haftstrafe, wovon der Gesetzestext spricht?

Hüsch: Zunächst muss man klarstellen, dass es allgemein mehrere Strafvorwürfe gibt. Es gibt sowohl den Meineid als schwersten Vorwurf als auch den Vorwurf einer falschen uneidlichen Aussage. Gleich welchen Strafvorwurf man nimmt, geht es immer darum, dass vor einer zuständigen Behörde etwas falsches erklärt wurde und dann auch noch versichert wird, das sei richtig.

Die Justiz lässt sich da nicht gerne an der Nase herumführen und ist dann sehr streng. Bei einer geklärten und aufgeklärten Straftat eines Meineides zum Beispiel sieht das Gesetz tatsächlich die Mindeststrafe von einem Jahr vor. Das ist ein Verbrechen und das gehört zu den Strafvorwürfen, die die größte Bedeutung haben.

DOMRADIO.DE: Dabei liegt dem Ganzen eigentlich kein Prozess gegen den Kardinal zugrunde, sondern eine Klage von ihm gegen den Axel-Springer-Verlag. Spielt das in dem Fall eine Rolle? Also wenn es im Grundvorwurf gar nicht gegen den Kardinal geht?

Hüsch: Nein, das spielt keine Rolle. Wenn ich im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens, so war das ja hier, zum Beweis einer Tatsache eine Erklärung abgebe, erst recht dann, wenn ich sie vor Gericht abgebe und ihr den Wahrheitsgehalt mit einer besonderen Eidesformel bestätige, dann kommt es nicht darauf an, ob ich zu meinen Gunsten lüge oder zu eines anderen Gunsten. Dann ist immer der Straftatbestand verwirklicht und es folgt immer die strafrechtliche Verurteilung.

DOMRADIO.DE: Wie ist es denn einzuordnen, dass es bei so einem hochrangigen kirchlichen Funktionsträger zu einer Hausdurchsuchung kommt? So was passiert ja nicht alle Tage. Gibt es da Zurückhaltung oder Berührungsängste von der Justiz? Das löst ja auch eine beachtliche mediale Welle aus.

Hüsch: Da habe ich keine Sorgen, dass die Staatsanwaltschaft sich hier wegen einer öffentlichen Berichterstattung in die eine oder andere Richtung leiten lässt. Spätestens seit dem Februar, als im Erzbistum München-Freising nach den Missbrauchsvorwürfen intensive Durchsuchungen auch im erzbischöflichen Umfeld stattgefunden haben, ist das keine Seltenheit mehr.

Der Kirchenrechtler Thomas Schüller aus Münster sprach damals von der ersten Durchsuchung im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens im kirchlichen Umfeld. Ich glaube, das ist nicht ganz richtig gewesen, aber jedenfalls das erste spektakuläre öffentliche Verfahren. Erst recht dann, wenn es sich um eine besonders kirchenrechtlich herausragende Person handelt, wird das medial besonders begleitet.

Cornel Hüsch

"Kardinal oder Küster, Nonne oder Rechtsanwalt: Wir sind alle gleich vor dem Gesetz und das ist auch gut so."

Aber vor dem Gesetz sind wir alle gleich. Kardinal oder Küster, Nonne oder Rechtsanwalt. Wir sind alle gleich vor dem Gesetz und das ist auch gut so und kann nur durch solche Maßnahmen auch noch mal deutlich gemacht werden. Es darf keinen Sonderstatus geben, nur weil man in einem besonderen Verhältnis zu irgendeiner Institution steht.

DOMRADIO.DE: Trotzdem haben wir ja eine Trennung von Kirche und Staat. Es gibt zwei unterschiedliche Rechtsprechungen. Es gibt das Kirchenrecht und es gibt das staatliche Recht. Zum Beispiel merken wir das, wenn es um Missbrauchsaufklärung geht. Da gibt es staatliche Prozesse und kirchliche Prozesse. Spielt das denn in diesem Fall eine Rolle? Gäbe es nicht in gewissem Sinne auch eine Immunität eines kirchlichen Funktionsträger gegenüber staatlichem Recht?

Hüsch: Nur dann, wenn es sich um einen Diplomaten handeln würde. Zum Beispiel, wenn der Kardinalstaatssekretär aus dem Vatikan im Ausland unterwegs ist, dann reist er unter diplomatischem Schutz. Aber für einen Kardinal, für einen Bischof in seinem Heimatland, gilt keine Immunität.

Im Gegenteil, das kirchliche Strafrecht ist nicht der Ersatz des staatlichen Strafrechts, sondern sollte im Idealfall daneben hinzutreten. Es kann durchaus auch ein kirchliches Strafverfahren neben ein strafrechtliches Verfahren des Staates treten und zum Beispiel die kirchenrechtlichen Sanktionen aussprechen, die der Staat nicht aussprechen kann. Exkommunikation wird kein staatliches Gericht aussprechen, dass muss ein kirchliches Gericht tun.

Das Interview führte Renardo Schlegelmilch.

Staatsanwalt: Keine Alternative zu Durchsuchungen im Erzbistum Köln

Nach mehreren Hausdurchsuchungen im Erzbistum Köln hat die Staatsanwaltschaft ihr Vorgehen als alternativlos bezeichnet. Um die medial stark beachteten Vorwürfe gegen Kardinal Rainer Maria Woelki aufzuklären, habe es keine andere Möglichkeit zu den Durchsuchungen der Gebäude des Erzbistums und seiner E-Mail-Dienstleister gegeben, sagte Oberstaatsanwalt Ulf Willuhn am Dienstagmittag vor Journalisten in Köln. Die zuvor zahlreich vernommenen Zeugen hätten "uns nicht wirklich viel weiter gebracht".

Köln: Kisten werden bei einer Druchsuchung im Kölner Offizialat aus dem Gebäude getragen / © Vincent Kempf (dpa)
Köln: Kisten werden bei einer Druchsuchung im Kölner Offizialat aus dem Gebäude getragen / © Vincent Kempf ( dpa )
Quelle:
DR