Reaktionen vor dem Papst-Besuch

Zwischen Kritik und Würdigung

Ex-Fernsehpfarrer Jürgen Fliege äußert Zweifel am Sinn des Papstbesuchs in Bayern. Der protestantische Theologe sagte am Freitag dem Nachrichtensender N24, ein solches Massenereignis könne keine wirkliche Gottesbegegnung schaffen. "Wenn man das von außen betrachtet, ist das nichts anderes als Robbie Williams - nur für ein anderes Publikum." Er selber suche "eine Frömmigkeit, die aus der Stille kommt".Wer im dritten Jahrtausend wirklich eine Gottesbegegnung haben möchte, sollte ans Meer fahren, in die Berge gehen, in den Sternenhimmel schauen oder in die Wüste gehen, fügte der Theologe hinzu.

 (DR)

Ex-Fernsehpfarrer Jürgen Fliege äußert Zweifel am Sinn des Papstbesuchs in Bayern. Der protestantische Theologe sagte am Freitag dem Nachrichtensender N24, ein solches Massenereignis könne keine wirkliche Gottesbegegnung schaffen. "Wenn man das von außen betrachtet, ist das nichts anderes als Robbie Williams - nur für ein anderes Publikum." Er selber suche "eine Frömmigkeit, die aus der Stille kommt".

Wer im dritten Jahrtausend wirklich eine Gottesbegegnung haben möchte, sollte ans Meer fahren, in die Berge gehen, in den Sternenhimmel schauen oder in die Wüste gehen, fügte der Theologe hinzu. Den Papst lobte Fliege als einen vorsichtigen und leisen Mann. "Und wer leise ist, hat ein Verständnis dafür, wo Gottesbegegnungen stattfinden: immer in der Stille und nie im Hype." Nach Einschätzung des protestantischen Theologen gibt es derzeit einen Aufbruch und einen Frühling an religiösen Sinnfragen in Deutschland - "mit und ohne Papst". Dabei seien die Christen in Mitteleuropa das schwierigste Missionsgebiet der ganzen Welt. "Überall kann man leichter über Religion reden als in Deutschland."

Erwartungen an den Papst
Die Kirchenvolksbewegung "Wir sind Kirche" bekundete Freude über den Besuch des Papstes, formulierte aber zugleich Erwartungen. Papst Benedikt XVI. sei zumindest mit Worten ein Brückenbauer, sagte Norbert Scholl von der Initiative im Bayerischen Rundfunk. Nun aber müssten Taten folgen. So sollten verheiratete Männer zum Priesteramt und wiederverheiratete Geschiedene zur Kommunion zugelassen werden.

Heftige Kritik am Papstbesuch äußerte die emeritierte katholische Theologie-Professorin Uta Ranke Heinemann. Sie erklärte in Essen, es handele sich um "das gleiche Frömmigkeitsspektakel wie bei seinem Vorgänger, nur dass es statt 20 Millionen Mark jetzt 20 Millionen Euro kostet". Ranke-Heinemann warf der Kirche vor, weit ab von den Problemen der Menschen zu sein. Die Visite in Bayern sei eine "nostalgische Reise in die eigene Vergangenheit des Papstes". Von den Fragen und Sorgen der übrigen Menschheit aber hätten sich die "zölibatären Hirten" längst verabschiedet. "Ihre Frauen- und Sexualfeindlichkeit allerdings ist uns geblieben", schreibt die 78-Jährige. "Angesichts der Millionen Aids-Infizierten und -Toten auf Grund des kirchlichen Kondomverbots sollten die 20 Millionen Euro lieber für die Opfer verwendet werden."

Die Tochter des damaligen Bundespräsidenten Gustav Heinemann war 1953/54 in München Studienkollegin von Joseph Ratzinger. 1970 erhielt sie als erste Frau der Welt eine Professur für katholische Theologie. 1987 entzog ihr die Kirche die Lehrbefugnis, unter anderem, weil sie die Jungfrauengeburt Jesu Christi angezweifelt hatte.

Roth würdigt Benedikt XVI.
Die Grünen-Vorsitzende Claudia Roth hat die Rolle Papst Benedikts XVI. und der Kirche für den gesellschaftlichen Frieden gewürdigt. Im Nachrichtensender N24 sagte sie: "Wir brauchen so eine Institution wie die Kirche und auch so eine Persönlichkeit wie Papst Benedikt, um klarzumachen, dass soziale Verantwortung wichtige Voraussetzung für die Überlebensfähigkeit jeder Gesellschaft ist". Sie erwarte sich viel vom Besuch des Papstes in Deutschland, sagte Roth auch mit Blick auf den interreligiösen Dialog.

"Ich freue mich, dass ich jetzt auch mal offen sagen kann, dass ich Benedikta heiße, Claudia Benedikta. Das ist ja jetzt gesellschaftlich anerkannt", so die Grünenvorsitzende Zugleich fordert sie eine Öffnung der katholischen Kirche für alternative Lebensformen. Der Kirche täte es gut, "alte, traditionelle Denk- und Vorschreibmuster" zu überwinden. Roth nannte in diesem Zusammenhang das Verhältnis zu Homosexuellen, Beziehungen ohne Trauschein und die Rolle der Frau.

CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla erklärte in Berlin, der Papst sei für viele Menschen eine große moralische Autorität und gebe ihnen Halt und Vertrauen in einer Zeit, in der "sich vieles schnell wandelt und in Frage gestellt wird". Pofalla äußerte den Wunsch, dass der Papstbesuch erneut zu einem Zeichen für die herausragende Bedeutung von Glaube und Wertebindung gerade auch für junge Leute werde.
(KNA)