Rassistische Übergriffe jähren sich zum 25. Mal

"Generation Hoyerswerda"

Das sächsische Hoyerswerda wurden am 17. September 1991 zum Schauplatz der größten ausländerfeindlichen Krawalle nach der Wiedervereinigung - der Auftakt einer Gewaltserie.

Autor/in:
Nina Schmedding
 Kurz nach den Krawallen in Hoyerswerda: Asylbewerber in Angst  / © Thomas Lehmann (dpa)
Kurz nach den Krawallen in Hoyerswerda: Asylbewerber in Angst / © Thomas Lehmann ( dpa )

Das Pogrom beginnt am Abend. Betrunkene Skinheads beschimpfen am 17. September 1991 auf dem Marktplatz von Hoyerswerda vietnamesische Händler, die daraufhin in ein Wohnheim für Vertragsarbeiter flüchten - eine Unterkunft für rund 120 Arbeiter aus Mosambik und Vietnam, deren Arbeitsverträge mit der Lausitzer Braunkohle AG noch zu DDR-Zeiten geschlossen worden waren. Bis Ende Dezember 1991 laufen sie aus, dann müssen die meisten wieder in ihre Heimat zurückkehren - ein Umstand, der die Neonazis der sächsischen Kleinstadt allerdings nicht von weiteren Angriffen abhalten kann. 

Mehrere Dutzend rechtsextreme Männer ziehen vor das Wohnheim, rufen Parolen, werfen Steine. Am folgenden Abend setzen sich die Attacken mit Molotowcocktails fort; unter den Angreifern befinden sich auch viele Kollegen der Vertragsarbeiter aus dem Braunkohletagebau. Anwohner gesellen sich hinzu und klatschen Beifall. Die Angst unter den Bewohnern wächst, der Polizei gelingt es erst nach drei Tagen, das Haus zu sichern. 

Schwerste rechtsextreme Krawalle

Daraufhin versammeln sich die gewaltbereiten Menschen - mittlerweile haben sich rund 500 zusammengefunden - vor dem Asylbewerberheim der Stadt. Dort kommt es zu den schwersten rechtsextremen Krawallen in Deutschland seit 1945. Es fliegen Brandsätze. 32 Menschen werden verletzt, die Politik kapituliert.

Am 20. September kommt das Landratsamt Hoyerswerda zu folgender Lageeinschätzung: "Es besteht einheitliche Auffassung dazu, dass eine endgültige Problemlösung nur durch Ausreise der Ausländer geschaffen werden kann." Die sächsische Landesregierung lässt rund 200 Ausländer aus Hoyerswerda unter Polizeischutz wegbringen und anderweitig einquartieren. 

Auftakt zu Anschlagsserie

In Anlehnung an den NS-Begriff "judenfrei" gilt unter Neonazis Hoyerswerda von nun an als die erste "ausländerfreie" Stadt Deutschlands. Anderen bleibt sie als "die Stadt der Rechtsradikalen" in Erinnerung, bilden die Ereignisse doch den Auftakt zu einer Serie von ausländerfeindlichen Übergriffen im wiedervereinigten Deutschland, die ihren Höhepunkt im darauffolgenden Jahr erreicht: Im August 1992 belagert ein rechter Mob das Asylbewerberheim in Rostock-Lichtenhagen. Drei Monate später sterben bei einem Brandanschlag in Mölln drei türkische Frauen.

Ausländerhetze, brennende Flüchtlingsheime: Szenen, die sich besonders seit vergangenem Jahr in Deutschland wiederholen, sei es in Tröglitz oder Freital. Für David Begrich von der Arbeitsstelle Rechtsextremismus in Magdeburg verkörpern die Angriffe von Hoyerswerda, bei denen die Behörden dem Druck der Straße nachgaben, geradezu die "Urszenen" des rassistischen Flächenbrandes in Deutschland.

"Generation Hoyerswerda"

Er spricht von einer "Generation Hoyerswerda", die vor 20 Jahren als 20-Jährige den Neonazismus von einer Randszene in eine soziale Bewegung verwandelten: Die Angreifer hätten die Erfahrung gemacht, dass sie sich mit ihren rassistischen Parolen nicht nur Gehör, sondern durch den Einsatz von Gewalt auch Geltung verschaffen konnten. Diese "biografischen Erfahrungen" wirkten weiter, so Begrich. So zeigten Untersuchungen der vergangenen Jahre, eine "messbar hohe Zustimmungsbereitschaft dieser Generation zu rassistischen und autoritären Einstellungen zu Fragen des Menschenbildes", die sie auch an ihre Kinder weitergäben.

Dennoch bestünden zwischen den aktuellen Attacken und den Übergriffen in den 1990er Jahren Unterschiede, betont der Generalstaatsanwalt von Brandenburg, Erardo Christoforo Rautenberg, im kürzlich erschienenen Sammelband zum Thema "Generation Hoyerswerda". Dazu gehöre im Gegensatz zu früher insbesondere eine "breit aufgestellte Zivilgesellschaft, die sich engagiert".

Nicht mehr so dominant

Zudem sei die rechtsextreme Jugendkultur in den östlichen Bundesländern heute nicht mehr so flächendeckend dominant wie damals. Um die aktuellen Übergriffe in den Griff zu bekommen, plädiert er vor allem für ein "breites politisches Bündnis", das sich bei allen Unterschieden vor allem in einem Punkt einig sei: Alle Flüchtlinge müssten vor Gewalttaten, Beschimpfungen und Angriffen auf ihre Unterkünfte geschützt werden. Dies sei die "Nagelprobe", zu der sich etwa auch Mitglieder der AfD bekennen müssten - wollten sie nicht zu geistigen Brandstiftern werden.


Quelle:
KNA