Publizist Albrecht von Lucke sieht Bürger und Kirchen in der Pflicht

"Uns fehlt die Stärke der überzeugten Demokraten"

Streitbar, unterhaltsam, auf den Punkt: Der Journalist Albrecht von Lucke ist Gast im Podcast "Frings fragt". Er schaut auf die CDU-Abstimmung mit der AfD im Bundestag und warnt bei aller Kritik vor übertriebenen Vergleichen zu 1933.

Reichstag in Berlin / © anto4ka (shutterstock)

Als Publizist und Journalist hat sich Albrecht von Lucke längst einen Namen als kluger Analytiker der Berliner Politik gemacht. Das am Freitag vergangener Woche (31.01.2025) aufgezeichnete Gespräch als gemeinsamer Podcast vom Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) und DOMRADIO.DE hat die turbulente Sitzungswoche des Bundestags als Thema, in der die Union erstmals einen Antrag mit Hilfe der Stimmen der AfD mit einer Mehrheit im Parlament durchsetzte, ein angedachtes Gesetz zur Verschärfung der Migrationspolitik scheiterte aber am Freitagabend. 

Von Lucke als Experte für Innenpolitik hält das Vorgehen von CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz für falsch, auch wenn das Thema Migration wichtig sei. Doch das Thema mit einem eigenen Gesetz ohne Mehrheit anzugehen, hält er für einen "populistischen Angang", den man Merz vorwerfen müsse: "Diesen gordischen Knoten hauruckartig durchschlagen zu wollen, ist der Kardinalfehler." 

Instinktlosigkeit der Politik

Generell beklagt der Redakteur der Zeitschrift "Blätter für deutsche und internationale Politik" im Gespräch mit dem Generalsekretär des ZdK, Marc Frings, eine Krise der politischen Kultur, die sich in der Parlamentswoche gezeigt habe. "Man hat den Eindruck, dass da etwas anberaumt wurde, ohne überhaupt nur das Ende zu bedenken." Die Diskussion um eine verschärfte Migrationspolitik am gleichen Tag wie das Holocaust-Gedenken im Bundestag zu führen, sei eine "ungeheure Instinktlosigkeit" gewesen. Ohnehin finde laut von Lucke das "eigentliche Versagen, das würde ich immer noch betonen, immer noch unter den anderen demokratischen Parteien statt."

2025 ist nicht 1933

Von Lucke befürchtet, dass sich die demokratischen Parteien durch einen aggressiv geführten Wahlkampf noch mehr voneinander entfernen und warnt zugleich vor übertriebenen historischen Vergleichen: "Der Eindruck entsteht fast, wir stünden am Rande des Abgrunds. Wir sind nicht vor 1933, wir sind eine gestandene demokratische Republik. Wir sind weit davon entfernt, Weimarer Verhältnisse zu haben, übrigens auch in wirtschaftlicher Hinsicht." Die Versuchung bei den Sozialdemokraten sei groß, angesichts der schlechten Ausgangslage der SPD in den Umfragen "sich jetzt in die Rolle einer Widerstandspartei im Sinne der SPD der Weimarer Republik mit Otto Wels als der Leitfigur zu imaginieren." Dadurch werde eine große Distanz zwischen den Parteien der Mitte erzeugt, die aber nach der Bundestagswahl wieder zusammen regieren müssten.  

Friedrich Merz (CDU) spricht neben Olaf Scholz (l, SPD) / © Kay Nietfeld (dpa)
Friedrich Merz (CDU) spricht neben Olaf Scholz (l, SPD) / © Kay Nietfeld ( dpa )

Immerhin sei in den letzten Jahren in Politisierung der Gesellschaft zu beobachten, die aber in beiden Richtungen ginge: "Solche, die wir zum Teil auch als demokratiefeindlich oder problematisch begreifen müssen, aber auch als solche, die die Demokratie unterstützen." 

Mehr Engagement in den Parteien

Themen wie Migration und Integration sollen nach von Luckes Meinung konstruktiv angegangen werden, ohne in Populismus zu verfallen. Denn konkrete Probleme in den Kommunen gebe es ja. Zugleich warnt der Volljurist und Politologe vor einer "Demokratie der Gleichgültigen". Nicht die AfD-Politiker seien so stark, sondern die anderen Parteien seien "inhaltlich wie personell weitgehend entkernt und ausgelaugt." 

Marc Frings / © Julia Steinbrecht (KNA)
Marc Frings / © Julia Steinbrecht ( KNA )

Von Lucke spricht sich für eine Stärkung der Parteien aus und appelliert im Gespräch mit Marc Frings an die Bürger, sich in den Parteien zu engagieren: "Uns fehlt die Stärke der überzeugten Demokraten. Und ich glaube, das ist die Aufforderung, Parteien zu stärken, da reinzugehen und es nicht beim Demonstrieren zu belassen." 

Eine wichtige Rolle können bei der Stärkung der Zivilgesellschaft auch die Kirchen einnehmen, so von Lucke: "Das könnte vielleicht auch ein Appell an die Kirchen sein, auch jenseits des Engagements in Kirchen, vielleicht auch wieder stärker als christliche Figuren in den Parteien zu wirken." 

Information der Redaktion: Im gemeinsamen Podcast "Frings fragt" vom Zentralkomitee der deutschen Katholiken und DOMRADIO.DE spricht Marc Frings in den Wochen vor der Bundestagswahl mit unterschiedlichen Akteuren aus Politik, Kirche und Gesellschaft. Oberthema ist die Demokratie und wie sie gestärkt werden kann. Die einzelnen Folgen erscheinen in allen gängigen Podcast-Portalen. 

In der ersten Folge war die Diplompsychologin und ehemaligen "Piraten"-Politikerin Marina Weisband zu Gast. 

Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK)

Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) ist das höchste repräsentative Gremium des deutschen Laien-Katholizismus. Es vertritt die katholischen Laien bei der gesellschaftlichen Meinungsbildung und ist das von der Bischofskonferenz anerkannte Organ zur Koordinierung des Laienengagements in der Kirche. Allerdings melden sich immer wieder auch einige katholische Laien und Vereinigungen zu Wort, die das ZdK nicht als ihre Vertretung verstehen.

Das Kreuz des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK)  / © Harald Oppitz (KNA)
Das Kreuz des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) / © Harald Oppitz ( KNA )
Quelle:
DR

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