Psychologin zeigt, wie sich Einsamkeit überwinden lässt

Echte Begegnungen, Musik und viel Bewegung

Ob alt oder jung - viele Menschen leiden unter Einsamkeit. Bei den Deutschen zwischen 18 und 35 klagt sogar jeder zweite darüber, wie eine neue Studie zeigt. Dabei gibt es Möglichkeiten zum Gegensteuern.

Autor/in:
Angelika Prauß
Einsamkeit betrifft nicht nur ältere Menschen: Laut Studie klagt die Hälfte der 18- bis 35-Jährigen über moderate oder sogar starke Einsamkeit.  / © Harald Oppitz/KNA (KNA)
Einsamkeit betrifft nicht nur ältere Menschen: Laut Studie klagt die Hälfte der 18- bis 35-Jährigen über moderate oder sogar starke Einsamkeit. / © Harald Oppitz/KNA ( KNA )

Wenig Helligkeit, graue Tage und Nieselregen - was liegt da näher, als sich zurückzuziehen. Wer sich ohnehin einsam fühlt, für den kann der Winter zur Herausforderung werden. Politische Wirren, Extremwetter und Kriege sorgen außerdem für Verunsicherung und schlechte Stimmung.

"Medien sind voll von dem, was herausfordernd ist und nicht gut läuft", sagt Simone Plechinger. Gerade deshalb ist es aus Sicht der Musiktherapeutin aus dem hessischen Kelkheim im Taunus wichtig, eigene Strategien gegen Einsamkeit zu haben. Gegen ein Problem, das inzwischen auch immer mehr junge Menschen betrifft, wie eine am Montag veröffentlichte Studie der Bertelsmann Stiftung belegt. Danach klagt jeder zweite zwischen 18 und 35 über moderate oder sogar starke Einsamkeit.

Mehr als ein Gefühl

"Einsamkeit ist mehr als ein Gefühl", stellt Plechinger klar. Sie zitiert dabei das neue Einsamkeitsbarometer, wonach über 60 Prozent der unter Einsamkeit leidenden Menschen eine unterdurchschnittlich schlechte körperliche Verfassung angaben. Der Zustand belaste nicht nur die Psyche, sondern ziehe auch körperliche Folgen nach sich - Bluthochdruck, Schlafstörungen, Ängste.

Diese förderten körperliche und geistige Abbauprozesse. Dadurch hätten die Betroffenen "wenig Energie, nach draußen zu gehen, weil sie von den Belastungen des Alltags umklammert sind". Dazu zählen auch Menschen, die sogenannte Care-Arbeit leisten, weiß Plechinger, die unter anderem in einem Hospiz arbeitet. Ein Teufelskreis, der sich aus ihrer Erfahrung aber aufbrechen lässt.

Einsamkeit ist in der letzten Lebensphase ein großes Thema. / © Beatrice Tomasetti  (DR)
Einsamkeit ist in der letzten Lebensphase ein großes Thema. / © Beatrice Tomasetti ( DR )

Bessere Stimmung durch Musik

Für die Musiktherapeutin kann Musik dabei eine große Rolle spielen. Diese versetze Menschen in eine andere Stimmung, und "so können wir gezielt aus dem Einsamkeitserleben rauskommen". Wer angenehmen Melodien lausche, bei dem vernetzten sich Nervenbahnen neu. Auch Singen oder Summen tragen demnach zum Wohlbefinden sei. Wohltuende Musik sei "intensiv mit Emotionen verknüpft" und mache Lust, sich zu bewegen.

Beim Tanzen etwa würden nicht nur Glückshormone ausgeschüttet; es sorge auch für einen "Synapsenvernetzungsboost". Es gebe keine bessere Prävention gegen eine Demenzerkrankung. Zudem würden beim achtsamen Wahrnehmen von Klängen auch Angst- und Schmerzerleben reduziert. Musik könne deshalb Medikamente sinnvoll ergänzen, sagt Plechinger.

Kraft und Selbstwirksamkeit erleben

Einsamkeit berühre immer auch Fragen der Lebensqualität und der Sinnhaftigkeit, sagt die Expertin. Deshalb sei es wichtig, wieder "Kraft und Selbstwirksamkeit" zu erleben. Sie rät, "sich Beziehungen von guter Qualität zu schaffen und zu erhalten und Freundschaften zu pflegen". Jüngere Menschen sollten sich früh emotionale Unterstützung suchen - dies könne auch der Rückhalt in einem tollen Team bei der Arbeit sein. Es gelte, "den sozialen Rückhalt nicht zu verlieren und im Blick zu behalten". Plechinger bezeichnet sich als Fan von "Auch wenn..."-Sätzen. "Ich kann beispielsweise sagen: 'Auch wenn die Zeiten herausfordernd sind, kann ich mir bewusst etwas Gutes tun'".

Auch Selbstfürsorge wie gute Ernährung und ausreichend Bewegung können Einsamkeit lindern. In asiatischen Ländern werde deshalb Menschen ab 60 Jahren automatisch ein entsprechendes Vorsorgeprogramm angeboten. "Man weiß, dass es keine bessere Prävention gibt, als wenn man sich bewegt", erst recht gemeinsam mit anderen. Dabei zähle jede Art von Bewegung - Spazieren gehen, Radfahren, bewusst die Treppe statt den Aufzug nehmen. Gegen die Grübelfalle helfen laut der Therapeutin auch alle Tätigkeiten, bei denen man intensiv die Hände nutze: schreiben, malen, backen, stricken. All das bringe einen ins Hier und Jetzt.

Plechinger ermuntert auch dazu, immer wieder einmal etwas Neues auszuprobieren, um Kontakte zu knüpfen - eine neue Sprache zu lernen oder allein in ein Cafe zu gehen und mit einer fremden Person ins Gespräch zu kommen. "Es geht darum, sich auf echte Begegnungen einzulassen."

Statt Geschenke auf dem Weihnachtsmarkt zu kaufen, kann man versuchen, Stricken zu lernen. Das ist günstiger und hilft gegen Einsamkeit. / © Julia Steinbrecht/KNA (KNA)
Statt Geschenke auf dem Weihnachtsmarkt zu kaufen, kann man versuchen, Stricken zu lernen. Das ist günstiger und hilft gegen Einsamkeit. / © Julia Steinbrecht/KNA ( KNA )

Nicht zu kaufen

Lebensqualität wird aus ihrer Erfahrung von Faktoren bestimmt, die man sich nicht kaufen kann: Liebe, Geborgenheit, den Austausch mit Freunden. All das lasse keine Einsamkeitsgedanken aufkommen. "Wir brauchen unfassbar viel an sozialem Zusammenhalt und sollten mehr auf positive Momente und das Miteinander schauen."

Aber wie mit anderen Menschen in Kontakt kommen, wenn man beispielsweise im Alter nicht mehr so mobil ist oder bereits in einer Senioreneinrichtung lebt? Plechinger verweist auf die Wiesbadener Initiative "Die Gute Stunde", die es sich zum Ziel gesetzt hat, Menschen über kulturelle Angebote analog und digital in Kontakt zu bringen und sich darüber auszutauschen. "Wer nicht aus dem Haus gehen kann, kann sich einklinken" - ob Vortrag, Lesung oder Wohnzimmerkonzert.

Experten-Tipps gegen Einsamkeit

Wer sich dauerhaft einsam fühlt, kann psychisch und körperlich erkranken. Das erleben junge und alte Menschen aus allen sozialen Schichten. Experten erklären, was sich gegen Einsamkeit unternehmen lässt.

Kontakte pflegen: Einen alten Freund mal wieder anrufen, neue Nachbarn begrüßen oder einen Klassenkameraden anchatten – viele kleine Bausteine können einen großen Unterschied machen. Die Alzheimer Forschung Initiative räumt ein: "Vielleicht braucht es einen kleinen Ruck", aber der könne sich lohnen.

Einsamkeit im Advent / © Sergio Photone (shutterstock)
Quelle:
KNA