Psychiater analysiert Verhalten von Benedikt XVI.

"Zu einfach wäre es, wenn er gelogen hätte"

Der Münchner Psychiater Werner Huth hält den emeritierten Papst Benedikt XVI. für einen "außerordentlich klugen Mann". Menschen wie Ratzinger täten sich aber oft schwer, unmittelbar auf andere zuzugehen, analysiert der Experte.

Papst Benedikt XVI. am 17. Oktober 2005 im Petersdom / © Romano Siciliani/Agenzia Romano Siciliani (KNA)
Papst Benedikt XVI. am 17. Oktober 2005 im Petersdom / © Romano Siciliani/Agenzia Romano Siciliani ( KNA )

Das sagte Huth der Münchner "Abendzeitung" (Montag). Sie sähen sich nur noch als Repräsentanten ihrer Institution.

Solchen Menschen sei es fast unmöglich, sich wie ein "normaler Bürger" zu verhalten, so der Facharzt für Psychiatrie und Neurologie weiter. Es falle ihnen zum Beispiel schwer zu sagen: "Ich habe damals etwas falsch gemacht, aber ich kann mich wirklich nicht mehr daran erinnern, vermutlich weil vieles für mich neu war. (...) Bitte verzeihen Sie mir!"

Alles zur Sicherung der Kirche getan?

Auf die Frage, ob Benedikt hinsichtlich seiner Angaben zum Münchner Missbrauchsgutachten gelogen habe, meinte Huth: "Zu einfach wäre es, wenn er gelogen hätte!" Er glaube vielmehr, dass man es hier mit "etwas viel Tragischerem" zu tun habe.

Werner Huth (Psychiater)

"Aber alles, was mit Verwaltung zu tun hatte, war offensichtlich nicht so seine Welt"

Joseph Ratzinger, von 1977 bis 1982 Erzbischof von München und Freising, sei zwar ein bedeutender Theologe: "Aber alles, was mit Verwaltung zu tun hatte, war offensichtlich nicht so seine Welt." Wer so ausgerichtet sei, vergesse eher etwas, etwa einen Routinevorgang wie die Versetzung eines Priesters in eine andere Diözese.

Der 1929 geborene Psychiater fügte hinzu: "Es sieht so aus, als habe sich der damalige Erzbischof Ratzinger so sehr mit der katholischen Kirche identifiziert, dass er alles zu deren Sicherung getan hat."

Wesentliche Aussage korrigiert

Der emeritierte Papst hatte nach der Veröffentlichung des Gutachtens eine wesentliche Aussage korrigiert. Er räumte ein, entgegen seiner früheren Darstellung an einer wichtigen Sitzung am 15. Januar 1980 teilgenommen zu haben. Der Fehler sei "Folge eines Versehens bei der redaktionellen Bearbeitung seiner Stellungnahme". Dies tue ihm "sehr leid", und er bitte, dies zu entschuldigen. Allerdings sei in der Sitzung "über einen seelsorgerlichen Einsatz des betreffenden Priesters nicht entschieden" worden.

 (KNA)

Bei der Sitzung ging es darum, den Priester Peter H. aus der Diözese Essen in München aufzunehmen. Huth erläuterte in dem Interview, der Geistliche sei damals an ihn überwiesen worden. Er habe H. nur unter der Bedingung aufgenommen, dass dieser nie wieder mit Jugendlichen arbeiten dürfe. Bald aber war H. wieder seelsorglich tätig und verging sich erneut an Kindern.

Die Erklärung von Benedikt XVI. zum Münchner Gutachten

In einer Stellungnahme hatte der emeritierte Papst Benedikt XVI. Anfang vergangenen Jahres eine wichtige Aussage seiner Einlassung aus dem Münchner Missbrauchsgutachten korrigiert. Die Katholische Nachrichten-Agentur (KNA) dokumentiert die von seinem Privatsekretär, Erzbischof Georg Gänswein, gegenüber KNA abgegebene Stellungnahme in vollem Wortlaut:

Münchner Missbrauchsgutachten, Westpfahl, Spilker, Wastl, WSW / © Sven Hoppe/dpa-POOL (KNA)
Münchner Missbrauchsgutachten, Westpfahl, Spilker, Wastl, WSW / © Sven Hoppe/dpa-POOL ( KNA )
Quelle:
KNA