Prozessende im Bistum Essen rückt näher

Schmerzensgeldklage hat Aussicht auf Erfolg

In einem Schmerzensgeldprozess gegen das katholische Bistum Essen könnte nun ein Urteil fallen. Der Kläger wurde von einem ehemaligen Priester missbraucht und fordert vom Bistum mindestens 300.000 Euro Schmerzensgeld.

Blick auf den Essener Dom / © frantic00 (shutterstock)

Vor dem Landgericht Essen findet heute ein Verkündungstermin in einem Schmerzensgeldprozess gegen das katholische Bistum Essen statt. Vorab hatte das Gericht erklärt, der Kläger, Wilfried Fesselmann, habe Aussichten auf Erfolg. Das Bistum müsse für die Taten eines ehemaligen Priesters haften, der Fesselmann in den 70er Jahren missbraucht hatte. Bereits geleistete freiwillige kirchliche Zahlungen von 45.000 Euro sieht die Klägerseite als nicht ausreichend an. Gefordert werden mindestens 300.000 Euro. In welcher Höhe die Diözese zahlen muss, könnte in einem heutigen Urteil festgelegt werden.

Fesselmann wurde vom ehemaligen Pfarrer H. missbraucht, dessen Fall bundesweit für Aufsehen sorgt und der bereits strafrechtlich verurteilt wurde. Laut Fesselmann hat der frühere Geistliche ihn im Alter von elf Jahren zu einer Übernachtung in seine Wohnung eingeladen und ihn dort mit Alkohol gefügig gemacht. Später sei es zum Oralverkehr gekommen.

Täter hatte sich entschuldigt

Der Täter, der in Essen bereits Anfang April als Zeuge vorgeladen war, hatte zugegeben, sich und den Jungen entkleidet und ihn im Schritt berührt zu haben. An weitere Handlungen könne er sich nicht erinnern. H. hatte sich im Gerichtssaal bei Fesselmann für sein Verhalten und die psychischen Spätfolgen, die sein Opfer erlitten habe, entschuldigt.

Insgesamt verging sich der frühere Geistliche an mindestens vier Orten in Nordrhein-Westfalen und Oberbayern an Minderjährigen. Nach mehrfachen Vorwürfen war er 1980 aus dem Bistum Essen in das Erzbistum München und Freising versetzt worden - nach seiner eigenen Aussage mit der Maßgabe, sich einer Therapie zu unterziehen. Damals war Joseph Ratzinger, der spätere Papst Benedikt XVI., Erzbischof in München. Trotz gerichtlicher Verurteilung und eines Gutachtens, das vor der Arbeit mit Kindern warnte, wurde er erneut mit der Gemeindeseelsorge beauftragt. Erst 2010 wurde H. von dieser Tätigkeit abberufen. Er darf seinem Beruf nicht mehr nachgehen und sich nicht mehr Pfarrer nennen.

Seit 2020 lebt H. wieder im Bistum Essen. Im Fall ist eine weitere Schmerzensgeldklage vor dem Landgericht Traunstein gegen das Erzbistum München und Freising anhängig.

423 Missbrauchsfälle und 201 Beschuldigte im Bistum Essen

Im Bistum Essen hat es seit der Gründung vor 65 Jahren mindestens 423 Fälle und Verdachtsfälle von sexualisierter Gewalt gegeben. Die Zahlen legte das Ruhrbistum selbst bei der Vorstellung einer Aufarbeitungsstudie vor. Insgesamt sind 201 Personen beschuldigt, darunter 129 Geistliche und 19 Ordensfrauen.

2018 verzeichnete eine andere Studie für die Essener Diözese noch 60 beschuldigte Geistliche sowie 85 Betroffene seit der Gründung.

Essen: Franz-Josef Overbeck (l-r), Bischof des Bistums Essen, Klaus Pfeffer, Generalvikar, und Christiane Gerard, Leiterin Personal, nehmen an einer Pressekonferenz teil / © Roberto Pfeil (dpa)
Essen: Franz-Josef Overbeck (l-r), Bischof des Bistums Essen, Klaus Pfeffer, Generalvikar, und Christiane Gerard, Leiterin Personal, nehmen an einer Pressekonferenz teil / © Roberto Pfeil ( dpa )
Quelle:
KNA