Prozess zum Finanzskandal im Vatikan

 (DR)

Vor Wochen schon errichtete der Vatikan die Bühne für das Schauspiel, das er am Samstag dann ankündigte. Weil der Gerichtssaal des Papst-Staates eher das Ausmaß einer Kammer hat, wurde ein kleiner Prozess um Missbrauch, Mobbing und Verletzung der Aufsichtspflicht im Knabenseminar des Papstes in einen Saal der Vatikanischen Museen verlegt. Dort haben neben Anwälten auch genügend Journalisten Platz. Die werden ab 27. Juli über ein Verfahren berichten, das schon jetzt als "Mammutprozess" gilt.

Dann endlich will die vatikanische Justiz den Finanzskandal des Staatssekretariats klären. Dass es dort "einen Skandal" gab, hatte der Papst selbst bestätigt, als er im November 2019 auf dem Rückflug von Tokio wegen der einen Monat zuvor durchgeführten Razzia an der Kurie befragt wurde. Damals wurden fünf vatikanische Mitarbeiter suspendiert; über genaue Vorwürfe war seither nichts zu erfahren.

Ein knappes Jahr später fiel Kardinal Angelo Becciu bei Franziskus in Ungnade; der einst mächtige - und immer noch einflussreiche - Sarde ist die medial attraktivste Figur in dem angekündigten Drama. Als langjähriger Substitut (2011-2018) im Staatssekretariat soll er bei den Finanzaktionen der machtvollen Behörde Fäden gezogen oder doch grünes Licht gegeben haben. Die Riege der weiteren Beschuldigten reicht vom Schweizer Juristen und Finanzexperten Rene Brülhart mit dem Ruf als Saubermann bis zur selbsternannten italienischen Geheimdienstexpertin Cecilia Moragna, die von Becciu Hunderttausende Euro bekam.

Dazu gesellen sich vatikanische Mitarbeiter - im Staatssekretariat zuständig für Finanzen -, die von den anderen Beschuldigten - italienischen Finanzmaklern - entweder übers Ohr gehauen worden sein sollen oder mit ihnen gemeinsame Sache machten. Im Kern geht es um verlustreiche Investitionen in Höhe mehrerer Hundert Millionen Euro in eine Londoner Immobilie und die sie begleitenden Deals und Provisionen.

Die Anklagepunkte der vatikanischen Strafverfolgung gegen die insgesamt zehn Beschuldigten reichen von Veruntreuung und Korruption über Erpressung, Betrug und Geldwäsche sowie Selbstgeldwäsche bis hin zu Amtsmissbrauch und Urkundenfälschung. Während etwa Brülhart nur sein Amt als Verwaltungsratschef der vatikanischen Finanzaufsicht AIF missbraucht haben soll, listet die Anklage bei Enrico Crasso, dem römischen Broker mit Sitz in der Schweiz, eine ganze Palette von Vergehen auf.

Wie viel Licht ins Dickicht des Finanzskandals die vatikanische Justiz bringen kann, ist indes fraglich. Ihre Ermittlungsakten sollen 500 Seiten stark sein. Schon bisher nahmen wesentlich einfacher gelagerte Fälle Jahre in Anspruch. Dass die Justiz des Papstes handwerklich noch dazulernen müsse, machten zuletzt einzelne italienische und englische Gerichtsurteile deutlich, mit denen vatikanische Anträge auf Amtshilfe abgeschlagen wurden. (KNA)