Juristische Aufarbeitung des Anschlags auf die Synagoge

Prozess gegen den Attentäter von Halle

Der Terroranschlag auf die Synagoge von Halle/Saale löste am 9. Oktober 2019 bundesweites Entsetzen aus. An diesem Dienstag beginnt der Prozess gegen den 28 Jahre alten Angeklagten, der seine Tat filmte und im Internet live streamte. Die wichtigsten Fragen zu dem Thema:

Autor/in:
Karin Wollschläger
Justitia-Figur / © Sebboy12 (shutterstock)

Wie lautet die Anklage?

Die Bundesanwaltschaft erhebt in ihrer Anklage den Vorwurf des Mordes in zwei Fällen, des versuchten Mordes in 68 Fällen sowie der Volksverhetzung, der gefährlichen Körperverletzung und der versuchten räuberischen Erpressung. Der Angeklagte habe in antisemitisch, rassistisch und fremdenfeindlich motivierter Absicht gehandelt.

Wie war der Tathergang?

Laut Anklageschrift versuchte der mutmaßliche Täter am Mittag des 9. Oktober 2019, ausgerüstet mit acht Schusswaffen und mehreren Sprengsätzen, gewaltsam in die Synagoge von Halle einzudringen, um möglichst viele der Gläubigen zu töten, die sich dort zum höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur versammelt hatten. Zum Tatzeitpunkt befanden sich in dem Gotteshaus 52 Menschen. Nachdem das Eindringen in die Synagoge misslungen war, soll der Beschuldigte zunächst eine vorbeikommende Passantin und wenig später einen 20-Jährigen in einem Döner-Imbiss getötet haben. Bei seiner Flucht in einem Auto verletzte er weitere Menschen, bis ihn die Polizei schließlich fasste. Er filmte seine Taten und streamte sie live im Internet. Ferner postete er Links zu Dokumenten, in denen er seine Motivation und seinen Tatplan schildert und dazu aufruft, alle Juden zu töten.

Was ist über den Angeklagten bekannt?

Der 28-jährige Mann stammt aus Eisleben in Sachsen-Anhalt, wo er 2010 das Abitur ablegte. Laut Medienberichten zog er nach einem abgebrochenen Chemie-Ingenieur-Studium wieder zu seiner Mutter nach Halle. Der Fall wirft auch die Frage an die politisch Verantwortlichen auf, wie es möglich war, dass sich der Angeklagte unbemerkt von den Behörden radikalisieren sowie mehrere Waffen und Sprengsätze selber bauen konnte.

Was bedeutet Juden der Feiertag Jom Kippur?

Jom Kippur ist der höchste Feiertag im Judentum. Er wird als strenger Fast- und Ruhetag begangen, bei dem sich die Gläubigen in der Synagoge versammeln. Der Versöhnungstag wird von der Mehrheit der Juden, auch der nicht-religiösen, eingehalten. Der Versöhnungstag schließt mit dem Gebet der "Ne'ila", das einen letzten Appell an die Barmherzigkeit Gottes darstellt, bevor sich die Tore des Himmels schließen.

Inwieweit ist die Jüdische Gemeinde zu Halle am Prozess beteiligt?

Der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde zu Halle, Max Privorozki, ist als Nebenkläger am Prozess beteiligt. Er sagte, er wolle verstehen, wie der Attentäter dazu kam, diesen Anschlag zu verüben, und wie er zu einem Mörder wurde. Zudem sind noch weitere Gemeindemitglieder unter den Nebenklägern.

Warum wird im Landgericht Magdeburg verhandelt?

Weil sich dort der größte Gerichtssaal in Sachsen-Anhalt befindet und es ein großes öffentliches Interesse gibt. Über 70 Vertreter nationaler und internationaler Medien sind akkreditiert. Zudem gibt es 40 Nebenkläger. Zuständig bleibt wegen der Bedeutung der Tat aber weiter das Oberlandesgericht Naumburg. Sein erster Strafsenat wurde eigens um zwei auf insgesamt fünf Richter aufgestockt und wird das Urteil fällen.

Welches Strafmaß droht dem Angeklagten?

Er kann im vorliegenden Fall zu lebenslanger Haft verurteilt werden. Laut Strafgesetzbuch hätte er dann nach 15 Jahren die Möglichkeit, eine "Aussetzung des Strafrestes" auf Bewährung zu beantragen. Dies ist jedoch nicht möglich, wenn die Richter im Urteil eine "besondere Schwere der Schuld" feststellen. Um diese Frage wird es im Prozess gehen, da der Angeklagte die Tat bereits gestanden und ein rechtsextremistisches und antisemitisches Motiv bestätigt hat. Mit einem Urteil ist frühestens Mitte Oktober zu rechnen. Das Gericht hat bislang 18 Verhandlungstage angesetzt.


Quelle:
KNA