Prozess endet mit lebenslangen Haftstrafen für die Mörder

Das Massaker von Malatya

Im April 2007 wurden in Malatya der Missionar Tilmann Geske und die türkischen Neuchristen Necati Aydin und Ugur Yüksel brutal ermordet. Vom anfänglichen Entsetzen ist in der Türkei nicht viel übrig geblieben. Daran ändert auch das jetzige Urteil nichts.

Autor/in:
Jürgen Gottschlich
Richterhammer / © Uli Deck (dpa)
Richterhammer / © Uli Deck ( dpa )

Es war eine der grausamsten Mordtaten an Christen in der Geschichte der türkischen Republik. Am 18. April 2007 überfielen fünf junge Männer, jeweils 19 oder 20 Jahre alt, den kleinen christlich-evangelikalen Zirve-Verlag im südosttürkischen Malatya und ermordeten drei Männer: den deutschen Missionar Tilmann Geske (46), Verlagsleiter Necati Aydin (35) und einen weiteren Mitarbeiter, Ugur Yüksel. Die Männer wurden an Stühle gefesselt und gefoltert; zuletzt schnitt man ihnen die Kehle durch.

Neun Jahre bis zum Urteil

Obwohl landesweit das Entsetzen groß war und der damalige Ministerpräsident und heutige Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan der Witwe Susanne Geske kondolierte, dauerte es mehr als neun lange Jahre, bis nun endlich ein erstes Urteil gefällt wurde. Die fünf Männer, heute zwischen 28 und 29 Jahre alt, wurden hart bestraft. Sie erhielten jeweils dreimal lebenslänglich. Damit ist eine vorzeitige Haftentlassung oder Amnestie ausgeschlossen, sobald das Urteil rechtskräftig wird.

Außer den fünf unmittelbar tatbeteiligten Mördern wurden noch zwei Militärs verurteilt, darunter der Anführer der Gruppe, Emre Günaydin: zu 13 bzw. 14 Jahren Haft. Alle anderen 14 Mitangeklagten, die die Staatsanwaltschaft beschuldigt hatte, im Hintergrund ebenfalls für die Tat verantwortlich zu sein, wurden dagegen freigesprochen. Das Gericht sah den Tatbestand der "Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung", der in anderen Fällen sehr weitreichend genutzt wird, hier als nicht erfüllt an.

Das Urteil in Malatya stand zwar auf der Titelseite der Tageszeitung "Hürriyet", ging aber in der türkischen Öffentlichkeit angesichts des Krieges in Syrien und der Debatte um die Verlängerung des Ausnahmezustands nach dem Putschversuch weitgehend unter. Vom Entsetzen von damals ist nicht mehr viel übrig geblieben. Die meisten Menschen erinnern sich kaum noch an das "Massaker von Malatya". Auch die Frage, ob die Morde Teil einer rechtsradikal-nationalistischen Strategie zur Vorbereitung eines Militärputsches waren oder doch nur eine Tat jugendlicher Fanatiker, interessiert heute kaum noch jemanden.

Mordfall kein isoliertes Ereignis?

Dabei sprach zunächst viel dafür, dass Malatya kein isoliertes Ereignis war. Den Morden im April 2007 war im Januar der Mord an Hrant Dink vorausgegangen, dem bekanntesten armenischen Journalisten und Menschenrechtler der Türkei. Im Februar 2006 wurde der italienische katholische Priester Andrea Santoro getötet. Die Mordserie versetzte nicht nur die rund 150.000 Christen in der Türkei in Angst und Schrecken. Sie wurde - zusammen mit anderen Taten - von den meisten politischen Beobachtern als eine gezielte Strategie rechtsradikaler Kreise im Militär und anderen Teilen des Staatsapparates gewertet. Vor allem im Prozess gegen die ebenfalls jugendlichen Mörder von Hrant Dink ging man dieser Frage intensiv nach.

Erst vor wenigen Monaten wurden drei hochrangige Polizisten als Hintermänner im Mordfall Dink angeklagt. Allerdings erst, nachdem diese beschuldigt wurden, Anhänger des Predigers Fethullah Gülen zu sein, der für den Putschversuch des 15. Juli verantwortlich sein soll. Wie wenig die Malatya-Morde heute noch in der öffentlichen Wahrnehmung bedeuten, zeigt die mangelnde Empathie mit den Hinterbliebenen.

Die Witwe von Tilmann Geske wollte trotz des Mordes unbedingt in der Türkei bleiben. Sei es, um die Arbeit ihres Mannes fortzusetzen, sei es, weil sie sich nach 16 Jahren im Land heimisch fühlte. Doch 2013 verweigerten die Behörden Susanne Geske bereits zum zweiten Mal die türkische Staatsbürgerschaft. Der Streit dauert an.


Quelle:
KNA